Lyon - A.M.O.R. 01
um sich komplett zu fühlen. Er kristallisierte sich als ihr Schlüssel zu den Dingen heraus, die seit Kurzem mit ihrem Verstand und ihrem Körper passierten. Lyon wusste es und sie ahnte es. Doch warum war sie sich dessen so sicher? Weil die Begegnung mit ihm u n möglich ein Zufall gewesen sein konnte? Das Ganze war völlig absurd, vol l kommen irrational.
Er hatte sie im Sturz aufgefangen, ihr das Leben gerettet. Ein Schauder übe r lief sie, als das Gefühl des Fallens mit den Überlegungen erneut hochwirbelte. Adina war klaren Verstandes, kein Schock lähmte sie mehr und sie vertraute darauf, was sie gespürt und gesehen hatte. Sie waren zusammen geflogen, s o gar zwei Mal. Sie irrte nicht. Gedankenverloren rührte sie in dem blubbernden Nudeltopf und schürzte die Lippen, alles war so verdammt kompliziert und bizarr.
Zugegebenermaßen wirkte es noch verrückter, zu glauben, dies entspräche der Wahrheit, aber wenn sie dazu an ihr besseres Gehör, ihre schnelleren R e flexe oder ihre überdurchschnittliche Sehschärfe dachte, ergab das alles wieder Sinn. Schließlich passierten diese Veränderungen ihr am eigenen Leib. Man ließ den Glauben an die Dinge zu, die man zuvor als absolut unmöglich abg e tan hatte. Sie war in ihre Überlegungen vertieft und bemerkte Emanuel erst, als er dicht hinter ihr stand.
„Das duftet fabelhaft“, raunte er.
Adina drehte sich mit dem Kochlöffel um und umarmte ihn spontan. Sie hielt sich an seinen breiten Schultern fest, als könnte er das Chaos in ihrem Kopf mit seiner Körperkraft beseitigen.
Emanuel versteifte sich ein wenig und tätschelte ihren Rücken. Zaghaft löste er sich von ihr, trat einen Schritt zurück und hielt sie mit Worten auf Abstand. „Geht es dir besser?“
Adina lächelte ihn an, wandte sich verlegen über ihre stürmische Umarmung den kochenden Fusilli zu und rührte um , als wäre es der Strudel der Zeit, der nie versiegen durfte. Das kam nun davon, ein soziales Wrack zu sein. Sie schluckte den Ärger über sich hinunter, um endlich zu antworten.
„Sehr sogar. Ich danke dir, dass du mich aufgenommen hast. Ist nicht für lange.“ Mist, die Sätze forderten geradezu zum Nachfragen auf. Sie rührte we i ter, sah aus dem Augenwinkel, wie er den Tisch deckte, sich setzte und sie b e obachtete. Seine Unruhe floss zu ihr wie klebriger Sirup. Doch er sagte nichts, überlie ß es ihr, sich zu öffnen. Sie hätte ihm alles erzählt und vor allem erzä h len können, nur nicht dies. Wie sollte sie erklären, dass sie in der Lage war, se i nen raschen Herzschlag zu hören, seine Duftnuancen herauszufiltern, die ihr seine Sorge verrieten und dass ein fliegender Supermann sie dem Tod entrissen hatte?
Von seiner Art her wäre Emanuel der perfekte Mann für eine lebenslange Beziehung. Allerdings gehörte für sie zur richtigen Liebe mehr. Sie wusste das, er wusste das. Obwohl er anfangs anderes behauptet hatte, wollte er, als sie i h re Zukunft ansprach, plötzlich nicht geben, wonach sie sich sehnte. Und auch, wenn er sie immer noch anzog wie ein gestrafftes Gummiband, reichte es für sie eben nicht aus.
Vor ihrem Umzug nach New York vor dreizehn Jahren hatte sie einem u n bescholtenen Gänslein geglichen . Während der gesamten Zeit im Kloster füh l te sie sich wohl und behütet, doch sie zog nie in Betracht, Nonne zu we r den. Was die Weltstadt dann aber für sie parat hielt, sprengte ihre wissbegierige Vorstellungskraft, nicht nur, was die Sexualität betraf. Über die Jahre lernte sie zu schätzen, wenn ein Mann nicht nur sagte, wo es langging, sondern ebenso wusste, was er tat, wusste, wo Grenzen lagen und wo die Frau sie gern übe r schreiten würde, ohne es zu ahnen. Diese Experimentierphase hätte sie bein a he den Kopf gekostet. Seitdem ging sie es viel ruhiger und vor allem vorsicht i ger an. Dass sie sich danach ausgerechnet den heiß begehrten Emanuel Dureza auserkoren hatte, war Schicksal gewesen, und wer er war, erfuhr sie erst, als er sie nach zwei Monaten lockeren Treffens zum ersten Mal mit zu sich nach Hause einlud – ins Hotel Dureza.
Sie schmunzelte in Erinnerungen versunken, während sie ihm frischen Orangensaft und sich ein Glas Rotwein einschenkte und seinen gefüllten Teller mit drei Blättern Basilikum garnierte. Sie setzte sich ihm gegenüber, legte ihre Finger auf seine, die erwartungsvoll neben ihrem Rotweinglas ruhten. Adina senkte den Blick und sprach ein kurzes Tischgebet. Sie verdankte ihm viel, nicht nur, weil er sie
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