Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
als königliche Prinzessin zuallererst dem Wohle des Reiches verpflichtet ist.
Wir werden über die Angelegenheit nicht weiter diskutieren. Ich will nun auf das Kind zu sprechen kommen, das Prinzessin Suldrun in, wie es scheint, rechtmäßiger Ehe geboren hat, wodurch das Kind legitim und mithin Gegenstand meiner pflichtgetreuen Fürsorge ist. Ich muß nun den Seneschall bitten, dich mit einer angemessenen Eskorte auszuschicken, auf daß du das Kind hierher bringst nach Haidion, wo es hingehört.«
Ehirme blinzelte unschlüssig. »Darf ich fragen, Herr, ohne Anstoß zu erregen: Was wird mit Prinzessin Suldrun, ist das Kind doch ihres?«
Wieder wog König Casmir seine Antwort sorgfältig ab; wieder sprach er mit ruhiger Stimme. »Du bist gehörig standhaft in deiner Sorge um die ungehorsame Prinzessin.
Zunächst, was die Ehe betrifft, so erkläre ich sie hiermit für null und nichtig und den Interessen des Staates zuwiderlaufend – wovon die Legitimität des Kindes unberührt bleibt. Was die Prinzessin Suldrun angeht, so will ich so weit gehen: Wenn sie unterwürfig ihre Schuld eingesteht, wenn sie ihre feste Absicht erklärt, fortan in striktem Gehorsam gegenüber meinen Befehlen zu handeln, so darf sie nach Haidion zurückkehren und den Stand als Mutter ihres Kindes annehmen. Doch als erstes werden wir jetzt unverzüglich das Kind holen.«
Ehirme fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, rieb sich die Nase mit dem Handrücken, schaute nach links, schaute nach rechts. Dann sagte sie mit zaghafter Stimme: »Der Erlaß Eurer Majestät ist sehr gut. Ich bitte Euch um Erlaubnis, diese Worte der Hoffnung zur Prinzessin Suldrun bringen zu dürfen, auf daß ihr Kummer gemindert werde. Darf ich jetzt rasch in den Garten laufen?«
König Casmir nickte grimmig. »Das darfst du – sobald wir wissen, wo wir das Kind finden.«
»Majestät, ich kann ihr Geheimnis nicht preisgeben! In Eurer Großmut, bringt sie her und sagt ihr die frohe Kunde!«
König Casmirs Augenlider senkten sich um den sechzehnten Teil eines Zolls. »Stelle nicht die Loyalität zur Prinzessin über die Untertanenpflicht gegenüber mir, deinem König. Ich stelle dir die Frage nur noch einmal. Wo ist das Kind?«
»Herr!« krächzte Ehirme. »Ich flehe Euch an, stellt diese Frage Suldrun!«
König Casmir hob ruckartig den Kopf ein winziges Stück und zuckte mit der Hand: Signale, die denen, die ihm dienten, wohlvertraut waren. Ehirme wurde hinausgeführt.
In der Nacht wurde Suldruns unruhiger Schlaf in regelmäßigen Abständen von einem schrecklichen Geheul gestört, das aus dem Peinhador zu kommen schien. Sie vermochte den Klang der Stimme nicht zu identifizieren und versuchte, die Schreie zu ignorieren.
Padraig, Ehirmes dritter Sohn, stürzte über den Urquial zum Peinhador und warf sich auf Zerling. »Haltet ein! Sie wird es Euch nicht sagen, aber ich! Erst gerade komme ich von Glymwode zurück, wo ich den verfluchten Balg hingebracht habe. Dort werdet Ihr ihn finden.«
Zerling ließ von dem ausgestreckt auf der Folterbank liegenden Haufen rohen Fleisches ab und setzte König Casmir in Kenntnis, der sofort eine Abteilung von vier Rittern und zwei Säugammen in einer Kutsche in Marsch setzte, das Kind zu holen. Dann fragte er Zerling: »Kam die Kunde aus des Weibes Mund?«
»Nein, Eure Majestät. Sie will nicht sprechen.«
»Dann treffe Vorkehrungen, ihrem Mann und ihren Söhnen je eine Hand und einen Fuß abzuhacken, so sie die Worte nicht über ihre Lippen bringen will.«
Ehirme sah die grausigen Vorbereitungen durch tränenverschleierte Augen. Zerling sagte: »Frau, eine Gruppe ist aufgebrochen, das Kind von Glymwode zu holen. Der König beharrt darauf, daß du, um seinem Befehl gehorsam zu sein, die Frage beantwortest. Wenn du dich weigerst, müssen dein Mann und deine Söhne eine Hand und einen Fuß hergeben. Ich frage dich noch einmal: Wo ist das Kind?«
Padraig schrie: »Sprich, Mutter! Dein Schweigen ist nunmehr sinnlos!«
Ehirme würgte krächzend hervor: »Das Kind ist in Glymwode. So, jetzt wißt Ihr es!«
Zerling band die Männer los und schickte sie hinaus auf den Urquial. Dann griff er eine Zange, zog Ehirme die Zunge aus dem Mund und spaltete sie mit einem Messer. Mit einem rotglühenden Eisen brannte er alsdann die Wunde aus, um das Blut zu stillen, und dieses war Casmirs letzte Vergeltung an Ehirme.
Im Garten verging der erste Tag langsam. Zögernd folgte einen Moment auf den andern. Schüchtern nahte jeder
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