Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
er bei sich, »wenngleich ein wenig dünn und spitz. Sie hat etwas Abwesendes in ihrem Blick; vielleicht beschäftigt sie sich zu sehr mit sich selbst ... Nun, alldem kann abgeholfen werden. Sie wird zu einer begehrenswerten Partie heranwachsen.« Und Casmir, der sich immer sehnlicher wünschte, den alten Glanz Lyonesses aufs neue erstrahlen zu lassen, spann den Gedanken weiter: »Esist gewiß nicht zu früh, solche Überlegungen anzustellen.«
Er erwog die verschiedenen Möglichkeiten. Dahaut war natürlich das große Hindernis für seine Pläne, und König Audry war sein Erzfeind, wenn auch verborgen. Eines Tages würde der alte Zwist wieder aufbrechen, aber anstatt Dahaut im Osten, von Pomperol her, anzugreifen, wo Audrys Anmarschwege kurz waren (was König Phristans schwerer Fehler gewesen war), hoffte er, Casmir, von Süd-Ulfland herangreifen zu können, an Dahauts entblößter West-flanke. Und Casmirs Gedanken verharrten einen Moment bei Süd-Ulfland.
König Oriante, ein blasser kleiner Mann mit einem Kugelkopf, war unfähig, reizbar und bissig. Er regierte auf seiner Burg Sfan Sfeg, nahe der Stadt Oäldes, aber er hatte es nie geschafft, die unabhängigen Freiherrn der Berge und Moore unter seine Herrschaft zu zwingen. Seine Königin, Behus, war groß und beleibt, und sie hatte ihm einen einzigen Sohn geboren, Quilcy, der jetzt fünf Jahre alt war, ein wenig schwachköpfig und unfähig, seinen Speichelfluß zu kontrollieren. Eine Verbindung zwischen Quilcy und Suldrun konnte große Vorteile bringen. Viel hing davon ab, wieviel Einfluß Suldrun auf einen schwachköpfigen Ehegemahl ausüben konnte. Wenn Quilcy so lenkbar war, wie die Gerüchte vermuten ließen, dann durfte eine kluge Frau eigentlich keine Probleme mit ihm haben.
Solcherart waren Casmirs Überlegungen, als er zur Feier der Namensgebung seines Sohns Cassander im Großen Palas stand.
Suldrun spürte den Blick ihres Vaters auf sich. Die Intensität, mit der er sie anstarrte, bereitete ihr Unbehagen, und einen Moment lang befürchtete sie, sein Mißfallen erregt zu haben. Doch gleich darauf schaute er weg, und zu ihrer Erleichterung schenkte er ihr keine Beachtung mehr.
Direkt gegenüber saßen die jungen Prinzen von Troicinet. Trewan war vierzehn Jahre alt. Er war groß und stark für sein Alter. Sein dunkles Haar war an der Stirn gerade abgeschnitten und hing ihm an den Seiten dick über die Ohren. Seine Gesichtszüge waren vielleicht ein wenig grob, aber er war keineswegs häßlich. Und in der Tat war seine äußere Erscheinung den Mägden auf Zarcone, dem Herrenhaus Prinz Arbamets, seines Vaters, nicht unbemerkt geblieben. Seine Blicke schweiften oft zu Suldrun, auf eine Art, die sie als störend empfand.
Der zweite troicische Prinz, Aillas, war zwei oder drei Jahre jünger als Trewan. Er war schlank und breitschultrig. Sein glattes hellbraunes Haar war zu einer Kappe gestutzt, die die Spitzen seiner Ohren bedeckte. Seine Nase war kurz und gerade. Seine Kinn- und Wangenpartie war klar und ebenmäßig geschnitten. Er schien Suldrun gar nicht zu bemerken, was ihr einen absurden kleinen Stich versetzte, obwohl sie doch die Keckheit des anderen Prinzen als unangenehm empfunden hatte ... Der Einzug von vier dürren Druiden lenkte ihre Aufmerksamkeit von den beiden Prinzen ab.
Sie trugen lange Roben aus braunem Stechginster, in der Mitte gegürtet, oben in Kapuzen endend, die ihre Gesichter verbargen. Jeder von ihnen trug einen Eichenzweig aus ihrem heiligen Hain. Sie bewegten sich schlurfend vorwärts, wobei ihre langen weißen Füße bei jedem Schritt unter dem Rand der Robe hervorlugten, und stellten sich, entsprechend den vier Himmelsrichtungen, an den Ecken der Wiege auf.
Der Druide an der Nordecke hielt den Eichenzweig über das Kind, berührte seine Stirn mit einem hölzernen Periapt und sprach: »Die Dagda segnet dich und gibt dir den Namen Cassander.«
Der Druide an der Westecke streckte seinen Zweig aus. »Brigit, die erste Tochter der Dagda, segnet dich und verleiht dir das Geschenk der Poesie und nennt dich Cassander.«
Der Druide an der Südecke hielt seinen Eichenzweig über die Wiege. »Brigit, die zweite Tochter Dagdas, segnet dich und verleiht dir Gesundheit und die Kraft des Heilens und heißt dich Cassander.«
Der Druide an der Ostecke streckte seinen Eichenzweig aus. »Brigit, die dritte Tochter der Dagda, segnet dich und schenkt dir den Segen des Eisens, in Schwert und Schild, in Sichel und Pflug, und gibt dir den Namen
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