Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
seine Peitsche, und die schwarzen Pferde jagten mit schäumenden Mäulern durch den Wald. Gegen Mittag verließ Carfilhiot die Straße und bog auf einen dunklen Pfad ab, der eine felsige Anhöhe hinaufführte. So kamen sie nach Faroli, dem achteckigen, vielgeschossigen Haus von Tamurello, dem Zauberer.
Von drei unsichtbaren Händepaaren war Carfilhiot gebadet und von Kopf bis Fuß mit süß duftendem Schaum eingeseift worden. Er war mit einer weichen Bürste abgerieben und mit warmem, nach Lavendel duftendem Wasser abgespült worden, so daß seine Erschöpfung einem Gefühl wohliger Schlaffheit Platz gemacht hatte. Er kleidete sich in ein Hemd in Schwarz und Karmesinrot und einen Mantel in dunklem Gold. Eine unsichtbare Hand reichte ihm einen Kelch mit Granatapfelwein. Er trank ihn aus, dann streckte er mit einem Grunzen des Wohlbehagens seine wunderbar leichten Glieder wie ein schläfriges Tier. Er überlegte, wie er Tamurello am besten entgegentreten sollte. Vieles hing von Tamurellos Stimmung ab, davon, ob sie aktiv oder passiv war. Carfilhiot mußte diese Stimmungen steuern wie ein Musikant seine Musik. Schließlich verließ Carfilhiot das Gemach und begab sich zu Tamurello in den Salon, der ringsum mit hohen Fenstern versehen war, die einen prachtvollen Blick auf den Wald gewährten.
Tamurello zeigte sich selten in seiner natürlichen Gestalt. Fast immer zog er es vor, in einer der zahlreichen Erscheinungsformen aufzutreten, die ihm zu Gebote standen. Carfilhiot hatte ihn schon in einer Vielzahl von Erscheinungsformen gesehen, manche von bestrickender Schönheit, manche von abstoßender Häßlichkeit, doch alle von bemerkenswerter Eindringlichkeit. Heute abend war er ein Sippenältester der Falloys, mit einem seegrünen Gewand und einer silbernen, gezackten Krone. Sein Haar war weiß, seine Haut schimmerte blaßsilbern, und grün waren seine Augen. Carfilhiot hatte diese Erscheinungsform schon früher gesehen, und er vermochte ihr keine sonderliche Sympathie entgegenzubringen. Ihre extrem scharfe Wahrnehmungsfähigkeit und die messerscharfe Präzision ihrer Fragen und Forderungen bereiteten ihm Unbehagen. Wie immer, wenn er mit dem Sippenältesten der Falloys konfrontiert war, gab Carfilhiot sich eine Attitüde von wortkarger Stärke.
Der Falloy erkundigte sich nach seinem Befinden. »Du hast dich, so hoffe ich, erfrischt?«
»Ich habe anstrengende Tage hinter mir, aber jetzt fühle ich mich wohl und wiederhergestellt.«
Der Falloy warf einen lächelnden Blick zum Fenster hinaus. »Dieses Mißgeschick, das dir widerfuhr – wie merkwürdig und unerwartet!«
Carfilhiot erwiderte mit gleichgültig klingender Stimme: »Ich gebe für alle meine Unannehmlichkeiten Melancthe die Schuld.«
Der Falloy lächelte erneut. »Und alles ohne Provokation?«
»Natürlich! Wann haben ich oder du uns jemals mit Provokation befaßt?«
»Selten. Aber was wird das für Folgen haben?«
»Keine, so hoffe ich zumindest.«
»Du hast noch keinen Entschluß gefaßt?«
»Ich muß zuerst in Ruhe über die Angelegenheit nachdenken.«
»Richtig. In solchen Fällen muß man wohlüberlegt handeln.«
»Aber da sind noch andere Dinge, die kluger Abwägung bedürfen. Ich habe Schläge und schlimmeÜberraschungen erlebt. Du erinnerst dich an die Geschichte in Trilda?«
»Nur zu gut.«
»Shimrod gelang es, Rughalt anhand seiner wehen Knie aufzuspüren. Rughalt gab ihm sofort meinen Namen preis. Und nun hat Shimrod die Absicht, sich an mir zu rächen. Aber ich habe Geiseln in meiner Hand, mit denen ich ihn in Schach halten kann.«
Der Falloy seufzte und machte eine wedelnde Handbewegung. »Geiseln sind von begrenztem Nutzen. Wenn sie sterben, sind sie eine Last. Wer sind diese Geiseln?«
»Ein Junge und ein Mädchen, die in Shimrods Gesellschaft reisten. Der Junge spielt bemerkenswerte Musik auf der Flöte, und das Mädchen spricht mit Tieren.«
Tamurello stand auf. »Komm mit.«
Die zwei gingen in Tamurellos Arbeitszimmer. Tamurello nahm eine schwarze Dose vom Regal, goß eine Viertelpinte Wasser hinein und träufelte darauf eine leuchtende gelbe Flüssigkeit, die in dem Wasser Lichtschleier auf verschiedenen Ebenen bildete. Dann schlug er ein ledergebundenes Buch auf und blätterte darin, bis er auf den Namen »Shimrod« stieß. Mit Hilfe der dem Namen beigefügten Formel mischte er eine dunkle Flüssigkeit, die er dem Inhalt der Dose beimengte. Die so entstandene Mixtur goß er alsdann in einen Eisenzylinder von sechs Zoll
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