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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Tieren. Die Ska zeigten weder Furcht noch Reue. Was ist das für eine Hinrichtung?« Königin Sollace murrte: »Das Schlimmste ist, daß der Wind direkt über den Hafen und in unser Fenster weht. In drei Tagen wird uns der Gestank nach Sarris vertreiben.«
    Suldrun lauschte erregt und voller Hoffnung: Sarris war der Sommerpalast, etwa vierzig Meilen östlich, am Fluß Glame gelegen.
    Aber aus dem sofortigen Umzug nach Sarris wurde nichts, trotz Königin Sollaces Geneigtheit. Die Leichen wurden rasch von Aasvögeln abgenagt. König Casmir wurde der Gestelle und der bizarr in ihnen hängenden Gebeine und Knorpelreste bald überdrüssig und befahl ihren Abbau.
     
    Auf Haidion herrschte Ruhe. Dame Maugelin, die an Wasser in den Beinen krankte, lag jammernd in ihrer Kammer hoch oben im Eulenturm. Suldrun, die allein in ihrem Gemach war, wurde unruhig, aber ein tosender, kalter, rauher Wind hielt sie davon ab, den geheimen Garten aufzusuchen.
    Sie stand da und schaute zum Fenster hinaus, geplagt von einer süßen, traurigen Sehnsucht. Oh, was hätte sie gegeben für ein Zauberroß, das sie durch die Lüfte davontrug! Wie weit sie fliegen würde! Hinaus über die weißen Wolken, über das Land des Silberflusses hinweg zu den Bergen am Ende der Welt!
    Einen atemlosen Moment lang dachte sie, wie es sein würde, wenn sie ihren Mantel anziehen und aus der Burg entschlüpfen würde: den Sfer Arct hinauf zur Alten Straße, vor ihr das weite Land! Sie seufzte und lächelte über die Tollheit ihrer Phantasie. Die Vagabunden, die sie von den Zinnen aus gesehen hatte, waren im großen und ganzen schon eine verrufene Sippschaft, hungrig und schmutzig und manchmal von recht groben Sitten. Ein solches Leben hatte wenig Reiz, und als sie sich die Sache jetzt noch einmal genauer betrachtete, kam sie zu der Erkenntnis, daß ihr doch sehr viel an einem vor Wind und Wetter schützenden Dach und hübschen sauberen Kleidern und der Würde ihrer Person lag.
    Hätte sie doch nur eine Zauberkutsche, die sich in der Nacht in ein Häuschen verwandelte, wo sie die Speisen essen konnte, die sie mochte, und wo sie in einem weichen Bett schlafen konnte!
    Abermals seufzte sie. Da kam ihr ein Gedanke. Sie leckte sich die Lippen ob seiner Kühnheit. Sollte sie es wagen? Was konnte schon Schlimmes geschehen, wenn sie nur recht vorsichtig sein würde? Sie überlegte, die Lippen geschürzt, den Kopf auf die Seite geneigt: ganz so, wie ein kleines Mädchen aussieht, das einen Streich ausheckt.
    Sie ging zum Feuer, zündete die Kerze in ihrer Nachtlampe an und zog die Haube herunter. Dann stieg sie, die Lampe in der Hand, die Treppe hinunter.
    Das Ehrenhaus war trüb und düster und still wie ein Grab. Suldrun betrat den Saal mit übertriebener Verstohlenheit. Heute schenkten ihr die großen Stühle nur wenig Beachtung. Die unfreundlichen Stühle bewahrten steinerne Verschlossenheit, die freundlichen schienen mit sich selbst beschäftigt. Nun gut, sollten sie sie nur ignorieren. Heute würde auch sie sie ignorieren.
    Suldrun ging um den Thron herum zur Rückwand, wo sie die Haube ihrer Lampe aufklappte. Nur ein rascher Blick, mehr wollte sie nicht. Sie war ein viel zu kluges Mädchen, um sich in Gefahr zu begeben. Sie schob den Vorhang beiseite. Das Kerzenlicht erleuchtete den Raum und fiel auf die rückwärtige Steinwand.
    Suldrun suchte und fand schnell den Eisenstab. Wenn sie jetzt zögerte, würde sie ihr Wagemut verlassen. Also rasch! Sie stieß den Stab in die Löcher, erst oben, dann unten, und legte den Stab an seinen Platz zurück.
    Die Tür schwang mit einem Zittern auf und gab den Blick auf eine Fläche von purpurn-grünem Licht frei. Suldrun tat zaghaft einen Schritt vorwärts. Nur einen raschen, verstohlenen Blick, nicht mehr! Wachsam jetzt und vorsichtig! Die Magie hatte ihre Tükken, soviel wußte sie.
    Sie öffnete die Tür ein Stückchen weiter. Der Raum schwamm in Schichten aus farbigem Licht: grün, purpurfarben, dattelpflaumenrot. An einer Seite stand ein Tisch mit einem seltsamen Instrument aus Glas und geschnitztem Holz. Auf Regalen standen Kolben, Flaschen und gedrungene Steintöpfe aufgereiht, dazu Bücher, Waagen, Probiersteine und Mogrifieren. Suldrun machte einen vorsichtigen Schritt vorwärts. Eine leise, kehlige Stimme rief: »Wer kommt uns da besuchen, leise wie ein Mäuschen, klein und naseweis, mit kleinen weißen Fingern und dem Duft von Blumen?«
    Und eine zweite Stimme rief: »Komm herein, komm herein! Vielleicht willst du

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