Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
fetten Kammerdiener weiter.
»Lest!« Der Kammerdiener las mit schriller Stimme:
»An Sir Faude Carfilhiot
Auf Tintzin Fyral:
Nach dem Gesetz von Süd-Ulfland bin ich kraft Recht und Macht König von Süd-Ulfland geworden und fordere Euch hiermit auf, die mir als Eurem Souverän gebührende Lehnstreue zu bekunden. Ich schicke Euch Sir Glide von Fairsted und einen Begleiter, beide Ratgeber meines Vertrauens. Sir Glide wird Euch meine Forderungen im einzelnen erläutern; er spricht in meinem Namen. Er ist befugt, jedwede Botschaft entgegenzunehmen, auch solche von vertraulichem Inhalt.
Ich bin sicher, daß meine Forderungen, wie sie Euch im einzelnen von Sir Glide dargelegt werden, Eure rasche Antwort finden. Beigefügt meine Unterschrift und das Siegel des Königreiches.
Aillas
Von Süd-Ulfland und Troicinet:
König.«
Der Kammerdiener überreichte das Pergament Carfilhiot, der es mit nachdenklich gerunzelter Stirn studierte, offenkundig seine Gedanken ordnend. Als er fertig war, sprach er mit gewichtiger, ernster Stimme: »Ich bin naturgemäß an den Plänen von König Aillas interessiert. Laßt uns die Unterredung in meinem kleinen Salon fortsetzen.«
Carfilhiot führte Sir Glide und seinen Begleiter eine Treppe hinauf. Dabei kamen sie an einer Art Vogelhaus vorbei, das dreißig Fuß in der Höhe und fünfzehn Fuß in der Breite maß. Es war ausstaffiert mit Sitzstangen, Nistkästen, Futterschalen und Schaukeln. Die menschlichen Insassen des Vogelhauses veranschaulichten Carfilhiots bestialische Schrulligkeit auf das beeindruckendste: Er hatte mehreren Gefangenen, männlichen wie weiblichen, die Gliedmaßen amputiert und sie durch eiserne Krallen und Haken ersetzt, mit denen sie sich an den Sitzstangen festhielten. Alle waren mit Gefieder der einen oder anderen Art geschmückt; alle zwitscherten, pfiffenund sangen. Über allen thronte in prachtvollem hellgrünem Federkleid der verrückte König Deuel. Er kauerte mit bekümmertem Gesichtsausdruck im Gesicht auf seiner Stange. Als er Carfilhiot nahen sah, wurde er sofort lebendig und hüpfte flink auf seiner Stange herbei. »Einen Augenblick, bitte! Ich habe eine ernste Beschwerde vorzutragen!«
Carfilhiot blieb stehen. »Was ist es nun schon wieder? Du bist neuerdings sehr nörglerisch.«
»Ich habe auch allen Grund! Mir wurde versprochen, daß ich heute Würmer bekäme. Und was bekomme ich statt dessen? Wieder nur Gerste!«
»Geduld«, besänftigte ihn Carfilhiot. »Morgen sollst du deine Würmer bekommen.«
Der verrückte König Deuel murmelte griesgrämig, hüpfte auf eine andere Stange und kauerte sich brütend nieder. Carfilhiot führte die Abgesandten in einen holzgetäfelten Raum mit einem grünen Teppich auf dem Fußboden. Die Fenster boten Ausblick auf das Tal. Er deutete auf einen Tisch. »Nehmt bitte Platz. Habt ihr schon gespeist?«
Sir Glide setzte sich. Sein Begleiter blieb im Hintergrund des Raumes stehen. »Wir haben unser Mahl bereits eingenommen«, sagte Sir Glide. »Wenn es Euch recht ist, kommen wir gleich zur Sache.«
»Bitte sprecht.« Carfilhiot lehnte sich in seinen Stuhl zurück und streckte seine langen, starken Beine aus.
»Meine Botschaft ist einfach. Der neue König von Süd-Ulfland ist mit einer Streitmacht in Ys gelandet. König Aillas beabsichtigt, das Land mit starker Hand zu regieren, und alle müssen ihm gehorchen.«
Carfilhiot gab ein metallisches Lachen von sich. »Mir ist von alledem nichts bekannt. Soweit ich unterrichtet bin, hat Quilcy keine Erben hinterlassen – die Linie ist ausgestorben. Wovon leitet Aillas sein Recht ab?«
»Er ist König von Süd-Ulfland durch Verwandtschaft in einer Seitenlinie und nach dem ordentlichen Gesetz des Landes. Er ist bereits auf dem Wege hierher, und er gebietet Euch, hinunter ins Tal zu steigen und ihm Euren lehnsmännischen Gruß zu entbieten und darüber hinaus jeglichen Gedanken, Euch seiner Herrschaft von der Stärke dieser Eurer Burg, Tintzin Fyral, aus zu widersetzen, fahrenzulassen, widrigenfalls er sie belagern und schleifen wird.«
»Das haben schon andere versucht«, sagte Carfilhiot mit einem Lächeln. »Die Angreifer sind abgezogen, und Tintzin Fyral steht noch immer. Ohnehin wird König Casmir von Lyonesse keine troicische Präsenz hier dulden.«
»Es bleibt ihm nichts anderes übrig. Wir haben bereits eine Streitmacht zur Einnahme von Kaul Bocach ausgesandt. Somit ist Casmir der Durchgang versperrt.«
Carfilhiots Miene verdüsterte sich. Er
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