Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
nach Westen, Osten und Norden zu segeln.«
»Sie werden erneut versuchen, am Kap des Wiedersehens zu landen; das ist meine Vermutung.«
»Das könnte durchaus sein, wenn die Verteidigung gelockert worden ist.«
Casmir nickte gedankenvoll. »Ganz recht.«
»Es gibt noch eine Möglichkeit. Jedes Schiff ist mit schwerem Enterzeug und Trossen ausgerüstet.«
Casmir lehnte sich in seinen Stuhl zurück. »Was für einem Zweck sollte das dienen? Sie können nicht mit einer Seeschlacht rechnen.«
»Vielleicht wollen sie einer vorbeugen. Sie nehmen Feuertöpfe an Bord. Und denkt daran, Südwind bläst sie den Sime-Fluß hinauf.«
»Zu den Werften?« Casmir war mit einem Schlag hellwach. »Zu den neuen Schiffen?«
Valdez hob den Becher an den schiefen Schlitz, der sein Mund war. »Ich kann nur Tatsachen wiedergeben. Die Troicer bereiten einen Angriff vor, mit hundert Schiffen und mindestens fünftausend wohlbewaffneten Soldaten.«
Casmir murmelte: »Die Balt-Bucht ist bewacht, aber nicht sehr gut. Wenn sie uns überrumpelten, könnten sie ein Desaster anrichten. Wie kann ich erfahren, wann ihre erste Flotte in See sticht?«
»Signalfeuer sind riskant. Wenn nur eines durch Nebel oder Regen ausfällt, bricht das ganze System zusammen. Abgesehen davon reicht die Zeit ohnehin nicht mehr, eine solche Kette aufzubauen. Tauben kommen auch nicht in Frage, hundert Meilen übers Meer sind zuviel für sie. Ich wüßte kein anderes System, es sei denn ein solches, das durch Magie betrieben wird.«
Casmir sprang auf. Er zog einen ledernen Beutel aus dem Umhang und warf ihn auf den Tisch. »Kehrt nach Troicinet zurück. Unterrichtet mich über alle Bewegungen, sooft Ihr könnt.«
Valdez hob den Beutel und schien mit seinem Gewicht zufrieden. »Das will ich tun.«
Casmir kehrte nach Haidion zurück, und eine knappe Stunde später ritten Kuriere aus der Stadt Lyonesse. Die Herzöge von Jong und Twarsbane hatten Befehl, Heere, Ritter und gepanzerte Reiterei zum Kap des Wiedersehens zu führen, zur Verstärkung der dortigen Garnison. Weitere Truppen, achttausend Mann stark, wurden eilig zu den Werften am Sime-Fluß verlegt, und entlang der gesamten Küste wurden Wachen aufgestellt. Die Häfen wurden geschlossen, und alle Boote (bis auf jenes, daß Valdez nach Troicinet zurückbringen würde) mußten am Kai festmachen. Auf diese Weise sollte verhindert werden, daß die troicischen Spione die Nachricht von der Mobilisierung der lyonessischen Truppen gegen den geheimen Angriff nach der Heimat meldeten.
Der Wind schlug nach Süden um, und achtzig Schiffe mit sechstausend Soldaten an Bord stachen in See. Hart über Backbordbug liegend, nahmen sie Kurs nach Westen. Nach Passieren der Meerenge von Palisidra kreuzten sie nach Süden, um der Entdeckung durch Casmirs Wachgarnisonen zu entgehen, schwenkten dann nach Norden und brausten vor dem Wind die Küste hinauf, blaues Wasser unter dem Kiel, das gurgelnd hinter dem Heckspiegel aufschäumte.
In der Zwischenzeit durchquerten troicische Emissionäre Süd-Ulfland in seiner ganzen Länge und Breite. Zu kalten Burgen am Rande des Moors, in wallgeschützte Städte und trutzige Bergburgen trugen sie die Kunde von dem neuen König und seinen Verfügungen, denen von nun an Folge geleistet werden mußte. Oft gewannen sie sofortige und dankbare Einwilligung, doch ebenso oft mußten sie Haßgefühle überwinden, die durch die Morde, Folterungen und Treuebrüche von Jahrhunderten genährt worden waren. So bitter waren oft diese Haßgefühle, daß sie das ganze Denken beherrschten: Fehden, die für die Kontrahenten das waren, was für den Fisch das Wasser; Erinnerungen an vergangene Rachetaten und Gedanken an erhoffte, so süß wie Gift. In solchen Fällen war mit Logik nichts zu erreichen. (»Friede in Ulfland? Für mich wird es erst Frieden geben, wenn von Burg Keghorn kein Stein mehr auf dem andern liegt und der Schutt mit dem Blute Melidots getränkt ist!«) Dann schwenkten die Abgesandten auf direktere Taktiken um. »Ihr müßt um Eurer eigenen Sicherheit willen Euren Rachedurst hintanstellen. Eine harte Hand regiert Ulfland, und wenn Ihr Euch der Ordnung nicht fügen wollt, isoliert Ihr Euch und fallt in Ungnade, zu Eurem Nachteil und zum Vorteil Eurer Feinde, die die Macht des Königs hinter sich haben. Dann werdet Ihr einen hohen Preis für wertloses Gut bezahlen.«
»Hmm. Und wer soll über Ulfland regieren?«
»König Aillas regiert bereits, kraft Recht und Macht, und die schlimmen alten
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