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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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überschatteten wilde Pflaumenbäume und Lärchen eine alte Steinmauer, in welcher sie eine verfallene Holztür entdeckte. Sie marschierte dorthin, duckte sich unter der Lärche durch und drückte die Tür auf. Ein Pfad führte durch Felszacken und Vorsprünge hindurch nach unten.
    Lady Desdea raffte ihre Röcke über die Knöchel und stieg vorsichtig die unregelmäßigen Steinstufen hinunter, die erst nach links, dann nach rechts abwinkelten, vorbei an einem alten steinernen Tempel. Sie ging vorsichtig weiter, peinlich darauf achtend, daß sie nicht stolperte oder gar fiel, was gewiß ihrer Würde abträglich gewesen wäre.
    Die Wände der Schlucht öffneten sich, und Lady Desdea erblickte den Garten. Behutsam einen Fuß vor den anderen setzend, stieg sie den Pfad weiter hinunter, und hätten nicht die Tücken des Pfades ihre ganze Wachsamkeit in Anspruch genommen, dann hätte sie vielleicht die schönen Blumen und angenehm duftenden Kräuter wahrgenommen, den kleinen Bach, der sich in kunstvolle Teiche ergoß, um sich, von Stein zu Stein weiterplätschernd, seinen Weg in einen weiteren Teich zu suchen. Lady Desdeasah nur ein Stück felsigen Ödlands, schwer und unbequem zu erreichen, dumpfig feucht und unangenehm abgelegen. Sie stolperte, knickte mit dem Fuß um und fluchte, wütend über die Umstände, die sie so weit von Haidion weggeführt hatten. Da sah sie Suldrun, dreißig Fuß von ihr entfernt auf dem Pfad, ganz allein (wie Lady Desdea es im Grunde nicht anders erwartet hatte; sie hatte nur insgeheim auf einen Skandal gehofft).
    Suldrun hörte die Schritte und schaute auf. Ihre Augen leuchteten blau in einem Gesicht, das blaß war vor Wut.
    Lady Desdea sagte verdrießlich: »Ich bin mit dem Fuß auf den Steinen umgeknickt. Es ist fürwahr eine Schande!«
    Suldruns Mund zuckte. Sie fand keine Wort, um sich auszudrücken.
    Lady Desdea stieß einen Seufzer der Entsagung aus und tat so, als würde sie sich umsehen. Dann sagte sie in einem Ton grillenhafter Leutseligkeit: »So, meine liebe Prinzessin, das also ist Euer kleiner Zufluchtsort.« Dann schauderte sie übertrieben zusammen und zog die Schultern hoch. »Seid Ihr denn überhaupt nicht empfindlich gegen die Luft? Ich spüre einen feuchtkalten Hauch; er muß vom Meer her kommen.« Erneut ließ sie ihren Blick schweifen, den Mund in belustigter Mißbilligung gespitzt. »Es ist schon ein wüstes kleines Eckchen. So etwa muß die Welt wohl ausgesehen haben, bevor der Mensch kam. Kommt, Kind, führt mich einmal herum.«
    Suldruns Gesicht war vor Wut so verzerrt, daß ihre zusammengebissenen Zähne zwischen den Lippen hervortraten. Sie hob die Hand und deutete mit dem Finger den Pfad hinauf. »Geht! Geht weg von hier!«
    Lady Desdea reckte sich hoch. »Mein liebes Kind, Ihr seid grob. Ich bin nur besorgt um Euer Wohlergehen, und ich habe Eure Boshaftigkeit nicht verdient.«
    Suldrun schrie wie rasend: »Ich will Euch hier nicht haben! Ich will Euch überhaupt nicht um mich herum haben! Geht weg!« Lady Desdea wich zurück, das Gesicht zu einer häßlichen Maske verzerrt. Widerstrebende Impulse kochten in ihr. Am liebsten hätte sie sich eine Gerte geholt, dem frechen Kind den Rock hochgezogen und ihm ein halbes Dutzend kräftige Hiebe auf das Hinterteil gegeben. Aber sie wagte es nicht, sich zu einer solchen Tat hinreißen zu lassen. Sie trat ein paar Schritte zurück und sprach mit düsterem Vorwurf in der Stimme: »Ihr seid das undankbarste Kind, das man sich denken kann. Glaubt Ihr, es ist ein Vergnügen, Euch in allen edlen und guten Dingen zu unterweisen und Eure Unschuld sicher durch all die Fallen und Fährnisse des Hofes zu geleiten, wenn Ihr mir Euren Respekt versagt? Liebe und Vertrauen suche ich und finde Haß. Ist das mein Lohn? Ich bemühe mich nach Kräften, meine Pflicht zu tun, und dann sagt man mir, ich solle weggehen.« Ihre Stimme war jetzt zu einem schwerfälligen, klagenden Geleier geworden.
    Suldrun wandte sich halb ab und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Flug einer Felsenschwalbe, dann auf den einer zweiten. Sie schaute, wie die Wogen des Ozeans sich donnernd an den Küstenfelsen brachen und glitzernd und schäumend ihren Strand hinauf leckten.
    Lady Desdea fuhr in ihrer Predigt fort: »Ich muß klarstellen: Nicht zu meinem Nutzen klettere ich durch Fels und Distel, um Euch von Pflichten wie dem heutigen Empfang Kenntnis zu bringen, wie ich es nun getan habe. Nein, ich muß die Rolle der lästigen Lady Desdea auf mich nehmen. Ihr seid

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