Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
unterrichtet, und mehr kann ich nicht tun.«
Lady Desdea schwang ihre Hüften herum, stapfte den Pfad hinauf und verließ den Garten. Suldrun schaute ihr mit nachdenklich-starrem Blick nach. Etwas undefinierbar Zufriedenes hatte im Schwingen ihrer Arme und in der Haltung ihres Kopfes gelegen. Suldrun fragte sich, was das zu bedeuten haben mochte.
Um König Deuel von Pomperol und seinem Gefolge Schutz vor der Sonne zu bieten, hatte man über dem großen Hof von Haidion einen Baldachin aus roter und gelber Seide, den Farben von Pomperol, gespannt. Unter diesem Baldachin ließen sich König Casmir, König Deuel und zahlreiche andere Personen von hohem Rang nieder, um sich an einem zwanglosen Bankett zu erquicken.
König Deuel, ein dünner, sehniger Mann mittleren Alters, bewegte sich mit quicker Energie und zeigte sichtlich Wohlbehagen. Er hatte nur wenige Begleiter bei sich: Prinz Kestrel, seinen einzigen Sohn, vier Ritter und einige Lakaien und Bedienstete, damit, wie König Deuel es ausdrückte, »wir frei sind wie die Vögel, jene glücklichen Geschöpfe, die sich in die Lüfte emporschwingen, zu gehen, wohin wir wollen, ganz nach unsrem eigenen Belieben«.
Prinz Kestrel hatte sein fünfzehntes Lebensjahr erreicht und ähnelte seinem Vater nur in seinem ingwerfarbenen Haar. Ansonsten war er still und phlegmatisch, mit einem plumpen, fleischigen Körper und einem friedlichen Gesichtsausdruck. Nichtsdestoweniger sah König Casmir in Kestrel einen möglichen Ehepartner für Prinzessin Suldrun, für den Fall, daß sich keine vorteilhaftere Wahl bot. Deshalb hatte man angeordnet, daß Suldrun an dem Bankett teilnahm.
Als der ihr zugedachte Platz leer blieb, wandte König Casmir den Kopf zur Seite und sprach barsch zu Königin Sollace: »Wo ist Suldrun?«
Königin Sollace hob langsam ihre marmornen Schultern. »Ich kann es nicht sagen. Sie ist unberechenbar. Ich finde es am bequemsten, sie sich selbst zu überlassen.«
»Alles gut und schön. Aber ich habe ihr befohlen, hier anwesend zu sein!«
Königin Sollace zuckte wieder die Achseln und langte nach einer gezuckerten Pflaume. »In diesem Fall muß Lady Desdea uns Auskunft geben.«
König Casmir schaute über die Schulter zu einem Lakaien. »Bring Lady Desdea her!«
König Deuel ergötzte sich währenddessen an den Possen dressierter Tiere, die König Casmir zur Erbauung seines Gastes bestellt hatte. Bären mit blauen Dreispitzen auf dem Kopf warfen sich Bälle zu; vier Wölfe in Kostümen aus rosafarbenem und gelbem Atlas tanzten eine Quadrille; sechs Reiher marschierten zusammen mit einer gleichen Anzahl von Krähen in kunstvoller Formation.
König Deuel zollte dem Schauspiel begeistert Beifall und zeigte sich besonders fasziniert von der Darbietung der Vögel: »Großartig! Sind es nicht fürwahr würdige Geschöpfe, majestätisch und weise? Seht, mit welcher Anmut sie einherschreiten! Ein Schritt so, ein anderer Schritt so!«
König Casmir quittierte das Kompliment mit einer majestätischen Geste. »Ich darf vermuten, daß Ihr eine besondere Vorliebe für Vögel habt?«
»Ich betrachte sie als bemerkenswert schöne Kreaturen. Sie fliegen mit einem natürlichen Mut und einer Anmut und Leichtigkeit, die unsere Fähigkeiten weit übertreffen!«
»Genauso ist es ... Entschuldigt mich, aber ich muß etwas mit Lady Desdea besprechen.« König Casmir wandte den Kopf zur Seite. »Wo ist Suldrun?«
Lady Desdea spielte die Erstaunte. »Ist sie denn nicht hier? Höchst seltsam! Sie ist dickköpfig und vielleicht ein wenig launisch, aber ich kann nicht glauben, daß sie vorsätzlich ungehorsam ist.«
»Wo ist sie denn?«
Lady Desdea verzog das Gesicht zu einer scherzhaften Grimasse und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. »Wie ich schon sagte, sie ist ein eigensinniges Kind, das zur Launenhaftigkeit neigt. Jetzt hat sie Gefallen an einem alten Garten unter dem Urquial gefunden. Ich habe versucht, ihr das auszureden, aber sie hat ihn zu ihrem Lieblingsschlupfwinkel erkoren.«
König Casmir herrschte sie barsch an: »Und sie ist jetzt dort? Unbeaufsichtigt?«
»Majestät, sie erlaubt, wie mir scheint, niemandem, den Garten zu betreten. Ich war bei ihr und übermittelte ihr die Anordnungen Eurer Majestät. Aber sie wollte nicht zuhören und schickte mich fort. Ich vermute, daß sie noch immer in dem Garten ist.«
König Deuel verfolgte gebannt die Kunststückchen eines dressierten Affen, der auf einem Seil tanzte. König Casmir murmelte eine
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