Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
überrennen.« Abermals widersprach Shein. »Wir Trevenas sind eine alte Rasse, so alt wie die Ska. Sie werden uns niemals angreifen.«
»Ich kann das nicht begreifen«, murmelte Trewan. »Seid ihr Magier?«
»Laßt uns von anderen Dingen sprechen. Ihr kehrt nach Troicinet zurück?«
»Sofort.«
Shein schaute spöttisch in die Runde. »Ohne euch zu nahe treten zu wollen, aber ich bin überrascht, daß König Granice eine solch jugendliche Gruppe auf eine Mission von solcher Tragweite schickt. Besonders in Anbetracht seiner speziellen Interessen hier in Süd-Ulfland.«
»Was sind das für spezielle Interessen?«
»Sind sie Euch nicht klar? Wenn Prinz Quilcy ohne direkten Erben stirbt, ist Granice der nächste Anwärter auf den Thron, über die Linie, welche mit Danglish beginnt, dem Herzog von Süd-Ulfland, der Großvater war von Granices Vater und Großvater auch von Oriante. Aber sicherlich wußtet Ihr über all dies bereits wohl Bescheid.«
»Ja, natürlich«, sagte Trewan. »Selbstverständlich halten wir uns in solchen Dingen stets auf dem laufenden.«
Shein lächelte jetzt ganz unverhüllt. »Und selbstverständlich wißt Ihr auch um die neue Sachlage auf Troicinet?«
»Natürlich«, sagte Trewan. »Wir segeln sofort nach Domreis zurück.« Er stand auf und machte eine steife Verbeugung. »Ich bedaure, daß Ihr Euch zu keiner positiveren Haltung bereit finden konntet.«
»Nun, sie wird ausreichen müssen. Ich wünsche Euch eine angenehme Heimreise.«
Die troicischen Emissionäre kehrten durch die Stadt hinunter zur Mole zurück. Trewan murmelte: »Was kann er nur gemeint haben mit ›neue Sachlage auf Troicinet‹?«
»Warum hast du ihn nicht gefragt?« fragte Aillas in bemüht neutralem Ton.
»Weil ich es für besser erachtete, es nicht zu tun«, gab Trewan bissig zurück.
Als sie an der Mole anlangten, bemerkten sie eine troicische Kogge, die eben angekommen war und gerade an den Pollern belegt wurde.
Trewan blieb abrupt stehen. »Ich werde ein paar Worte mit dem Kapitän reden. Ihr drei macht einstweilen die
Smaadra
klar zum Auslaufen.«
Die drei gingen an Bord. Zehn Minuten später verließ Trewan die Kogge und kehrte über die Mole zurück. Sein Schritt war langsam und gedankenvoll. Bevor er an Bord kam, wandte er sich um und blickte zum Evandertal hinauf. Dann drehte er sich langsam um und ging an Bord der
Smaadra
.
Aillas fragte: »Wie ist denn die neue Sachlage auf Troicinet?«
»Der Kapitän konnte mir nichts sagen.«
»Du scheinst plötzlich so mißmutig.«
Trewan preßte die Lippen zusammen, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Er ließ seinen Blick über den Horizont schweifen. »Der Ausguck der Kogge hat ein Piratenschiff gesichtet. Wir müssen auf der Hut sein.« Trewan wandte sich ab. »Ich fühle mich nicht sehr wohl, ich muß mich ausruhen.« Er torkelte zur Heckkajüte, die er seit dem Tod von Sir Famet für sich reserviert hatte.
Die
Smaadra
glitt aus dem Hafen. Als sie an dem weißen Palast am Strand vorbeikamen, sah Aillas vom Achterdeck aus eine junge Frau, die auf die Terrasse getreten war. Die Entfernung ließ ihre Züge verschwimmen, aber Aillas konnte ihr langes schwarzes Haar erkennen, und irgend etwas an ihrer Haltung gab ihm die Gewißheit, daß sie hübsch war, vielleicht sogar schön. Er hob den Arm und winkte ihr zu, aber sie erwiderte seinen Gruß nicht und ging in den Palast zurück.
Die
Smaadra
erreichte jetzt die offene See. Der Matrose im Ausguck beobachtete den Horizont, meldete jedoch, daß kein anderes Schiff zu sehen sei. Das Piratenschiff, sofern es wirklich existierte, war verschwunden.
Trewan kehrte erst am Mittag des folgenden Tages auf Deck zurück. Seine Unpäßlichkeit, welcher Natur auch immer sie gewesen sein mochte, war vergangen, und er schien wieder bei guter Gesundheit, wenn auch immer noch ein wenig spitz und blaß. Abgesehen von einigen wenigen Worten mit dem Kapitän über den Kurs des Schiffes, sprach er mit niemandem und kehrte sogleich wieder in seine Kajüte zurück und ließ sich vom Steward einen Topf gekochten Rindfleisches mit Lauch bringen. Eine Stunde vor Sonnenuntergang erschien Trewan erneut auf Deck. Er warf einen Blick auf die niedrig stehende Sonne und fragte den Kapitän: »Warum segeln wir diesen Kurs?«
»Wir sind ein bißchen zu weit nach Osten abgekommen, Herr. Sollte der Wind auffrischen oder umschlagen, dann laufen wir Gefahr, auf Tark zu stranden, das meiner Schätzung nach dort, gleich hinter dem Horizont,
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