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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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wickelte ihn um ihr Bein, um es weich zu lagern; alsdann schnitt er die Weidenruten auf passende Länge zurecht und legte sie bereit. Dann richtete er das Bein. Tatzel keuchte auf, gab ansonsten aber keinen Laut von sich, und Aillas schiente das Bein mit den Ruten und band selbige mit den Gurten fest. Tatzel seufzte und schloß die Augen. Aillas rollte seinen Mantel zusammen und schob ihn ihr unter den Kopf.
    Er strich ihr die feuchten Haarlocken aus dem Gesicht und studierte die klaren, blassen Gesichtszüge mit gemischten Gefühlen. Er dachte an seine Zeit auf Burg Sank zurück. Damals hätte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als sie zu berühren, um sie auf seine Gegenwart aufmerksam zu machen. Doch jetzt, wo sie hilflos vor ihm lag und er sie nach Lust und Laune hätte liebkosen können, da fühlte er sich aus vielerlei Gründen gehemmt.
    Tatzel schlug die Augen auf und studierte sein Gesicht. »Ich habe Euch schon einmal gesehen ... ich kann mich nicht erinnern, wo.«
    Aillas dachte: Schon hat sie ihre Furcht vergessen; vielleicht bin ich zu durchsichtig. Tatsächlich schien sie bereits wieder jene unbeschreibliche ska-typische Selbstsicherheit an den Tag zu legen, die, wäre sie weniger arglos gewesen, als Arroganz hätte gedeutet werden können. In solch einem Fall wurde das Spiel interessanter.
    Tatzel sagte: »Eure Stimme klingt nicht ulfisch. Wer seid Ihr?«
    »Ich bin ein Ehrenmann aus Troicinet.«
    Tatzel verzog das Gesicht – ob vor Schmerzen, oder weil er vielleicht irgendeine unangenehme Erinnerung in ihr ausgelöst hatte, vermochte er nicht zu sagen. »Wir hatten einmal auf Sank einen Sklaven aus Troicinet. Er entkam.«
    »Ich entkam aus Sank.«
    Tatzel sah ihn mit gelassener Neugier an. »Damals waren alle schlecht auf Euch zu sprechen, weil Ihr uns vergiftetet. Euer Name ist ›Halis‹ oder ›Ailish‹; irgend etwas in der Art.«
    »Für gewöhnlich nenne ich mich ›Aillas‹.«
    Tatzel schien keinen Zusammenhang herzustellen zwischen Aillas, dem Haussklaven, und Aillas, dem König von Troicinet, Dascinet und Süd-Ulfland.
    Tatzel sprach ohne Akzent. »Ihr seid ein Tor, daß Ihr Euch in diese Gegend traut. Wenn Ihr entdeckt werdet, wird man Euch entmannen.«
    »In dem Fall hoffe ich, daß ich nicht entdeckt werde.«
    »Gehörtet Ihr zu den Räubern, die uns angegriffen haben?«
    »Das waren keine Räuber; das waren Soldaten im Dienste des Königs von Süd-Ulfland.«
    »Wie auch immer.« Tatzel schloß die Augen und lag ruhig. Nach einem Moment des Nachdenkens stand Aillas auf und erforschte die Umgebung. Obdach für die Nacht war jetzt wichtig, noch wichtiger aber war ein sicheres Versteck. Der Pfad am Flußufer deutete auf zumindest gelegentlichen Verkehr hin. Offenbar verband er die Hohe Windige Straße mit Siedlungen und Ska-Depots entlang der Niedermoore.
    In einiger Entfernung talaufwärts entdeckte Aillas eine baufällige Hütte, die selbst jetzt noch, in ihrem verfallenen Zustand, Zuflucht für Hirten und Wanderer bieten mochte. Die Sonne versank hinter den Bergen; bald würde das Tal im Schatten liegen. Er blickte nach unten. »Tatzel.«
    Sie schlug die Augen auf.
    »Dort hinten ist eine Hütte, wo wir für die Nacht unterschlüpfen können. Ich werde Euch beim Aufstehen helfen. Legt die Arme um meinen Hals ... So, und jetzt hoch mit Euch.«
    Aillas spürte, daß sein Herz viel schneller als normal klopfte. Tatzels warmer, geschmeidiger Leib, der sich sanft gegen seinen drückte, ihre Arme, die sich um seinen Hals schmiegten, der Duft von Tannennadeln und Zitronen-Verbene und Geranien, der ihrer Haut entströmte: all dies war höchst erregend. Aillas wollte sie nicht loslassen. »Legt Euren Arm um mich, und ich werde Euch stützen ... Nun schreitet behutsam vorwärts.«
     

Kapitel 11

I
    Nachdem Aillas Tatzel aufgeholfen hatte, standen sie noch einen Moment lang still da. Ihre Arme waren um seinen Hals geschlungen, und ihr Gesicht war nur wenige Zoll von seinem entfernt; Erinnerungen an trostlose Zeiten auf Burg Sank schossen Aillas durch den Kopf. Er stieß einen tiefen Seufzer aus und wandte sich ab.
    Schritt für Schritt bewegten sich die beiden den Pfad entlang; Tatzel, auf Aillas gestützt, humpelte auf einem Bein vorwärts. Schließlich erreichten sie die Hütte; sie war alles, was von einem alten Bauernhof übriggeblieben war. Sie lag malerisch auf einer Anhöhe, gleich neben einem kleinen Bach, der von einer bewaldeten Bergschlucht herunterfloß. Die Wände waren aus rohem,

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