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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Burg Sank gezeigt; warum sollte sie da von der Strafe verschont bleiben?
    Weil die Lebensphilosophie der Ska nicht auf ihrem Mist gewachsen war, kam die Antwort. Sie hatte die Gebote der Ska-Lehre mit der Muttermilch aufgesogen, hatte sie von Kindesbeinen an als natürliche Axiome des Seins angenommen. Sie war zur Ska gemacht worden, ohne sich je frei entscheiden zu können!
    Aber dasselbe konnte man von jedem Ska sagen, egal ob Mann oder Frau, alt oder jung, und sie ließ nicht das geringste Anzeichen erkennen, daß sie in sich ging und ihre Philosophie etwa in Frage stellte. Sie weigerte sich schlicht, Aillas' Versicherung zu akzeptieren, daß sie nun selbst eine Sklavin sei. Kurz, sie war genauso schuldig wie jeder andere Ska, und jedes Mitgefühl war völlig unangebracht.
    Gleichwohl konnte er nicht leugnen, daß er sich von allen Ska bewußt Tatzel ausgesucht hatte, wobei er sich zugute halten mußte, daß er das Ungemach, welches sie beide jetzt erfuhren, nicht hatte voraussehen können. Er hatte lediglich – ja, was hatte er eigentlich gewollt? Er hatte sie dazu zwingen wollen, ihn als Persönlichkeit von Würde anzuerkennen. Er hatte die Träume wahrmachen wollen, die er auf Burg Sank gesponnen hatte. Er hatte sich in dem Wohlgefühl ihrer Gesellschaft sonnen wollen, in ihr Leben und in ihre Gedanken und Gefühle eindringen wollen, um Ihre Gunst zu erringen und ihr amouröses Verlangen zu erwecken ... Erneut empfand Aillas ein Gefühl von zynischer Belustigung. Diese Ziele, herbeigesehnt in solch unschuldigem, naivem Eifer, schienen jetzt alle nachgerade absurd. Hätte er gewollt, er hätte Tatzel jederzeit zu jenen erotischen Diensten zwingen können, die sie offensichtlich halb erwartete und die sie, so sagte ihm sein Instinkt, vielleicht nicht einmal gar so unwillkommen gefunden hätte. Oft, wenn er ihren warmen Körper an seinem spürte, wurde der Drang, alle Zurückhaltung aufzugeben, fast überwältigend. Doch jedesmal, wenn die Lust in seinem Hirn zu sieden begann, kam ihm ein ganzes Bündel von Gedanken und erstickte das Feuer wieder, noch ehe es zu lodern begonnen hatte. Zum ersten erschien ihm immer wieder das Bild vor Augen, wie Tatzel in der Hütte lag und der Unhold über ihr kniete und in sie einzudringen versuchte. Zweitens hatte Tatzel versucht, sich seines Messers zu bemächtigen, und sie konnte das nur in der Absicht getan haben, ihn zu töten – ein Gedanke, der seine Lust erheblich dämpfte. Drittens betrachtete Tatzel, eine Ska, ihn als einen Mischling aus den alten, wulstlippigen Kannibalen und den »echten« Menschen, mithin als eine Kreatur, die auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe stand als sie selbst: kurz, als einen Anderling. Viertens, da er nicht auf die normale Weise um sie buhlen konnte, verbot es ihm sein Stolz, sie mit Gewalt zu nehmen, nur um die Erleichterung seiner Drüsen willen, ohne Berücksichtigung all der anderen Faktoren, die in der liebenden Vereinigung von Mann und Frau von Bedeutung waren. Wenn Tatzel erotische Gelüste ihm gegenüber hegte, sollte sie den ersten Schritt machen: eine Möglichkeit, die natürlich abwegig und an den Haaren herbeigezogen war. Gleichwohl hatte er manchmal das Gefühl – vielleicht bildete er es sich auch nur ein –, als ob Tatzel ihn lockte, ihn – möglicherweise unbewußt – herausforderte, sie zu nehmen; und wer weiß, vielleicht brodelte ja in ihr ein wenig von denselben Gelüsten, die ihn bedrängten.
    Ein lästiges Problem. Eines Tages – oder eines Nachts –, wenn die passenden Umstände herrschten, würde er vielleicht von ihr erfahren, wie sie in Wahrheit fühlte, und vielleicht würden dann ja seine Träume und Sehnsüchte in atemberaubender Weise Wahrheit werden. Inzwischen war die Karawane vorbeigezogen.
    »Komm!« sagte er barsch. »Es ist Zeit, daß wir aufbrechen.«
    Aillas hatte sein Messer schon lange wieder an sich genommen. Er schnürte das Bündel und lud es auf das Pferd, auf dem er zuvor geritten war. Er selbst bestieg Torquals starken Rapphengst, und das einstmalige Packpferd blieb ledig. Aillas half Tatzel in den Sattel, und sie ritten los, jedoch diesmal Richtung Norden.
    Wie Aillas erwartet hatte, war Tatzel verwirrt ob der Richtung, die er eingeschlagen hatte, und schließlich platzte sie mit der Frage hinaus: »Wieso reiten wir gen Norden? Süd-Ulfland liegt hinter uns!«
    »Ganz recht: ein langer, beschwerlicher Weg, an dem es von Ska und anderen Räubern nur so wimmelt.«
    »Dann sagt: warum

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