Lyonesse 2 - Die grüne Perle
Theke des Schankraums stehend und begehrten Speise und Obdach für die Nacht. Als Namen gaben sie Harbig und Dussel an.
Dildahl erklärte sich bereit, sie entsprechend ihren Wünschen zu beköstigen und unterzubringen und legte sodann, seiner Gepflogenheit entsprechend, jedem von ihnen ein Dokument zur Unterschrift vor. Harbig und Dussel studierten es und entdeckten die schon bekannte Klausel, nach welcher der Gast im Falle seiner Insolvenz sein Pferd mitsamt Sattel und Zaumzeug zwecks Begleichung seiner Schulden herauszugeben sich verpflichtete.
Harbig, der Ältere der beiden Reisenden, runzelte die Stirn ob der kompromißlosen, ja nachgerade beleidigenden Bedingungen des Vertrags. »Ist diese Sprache nicht ein wenig hart? Schließlich sind wir Ehrenmänner.«
Dussel fragte: »Oder sind Eure Preise so exorbitant,daß man für eine Übernachtung den Wert eines Pferdes bezahlen muß?«
»Informiert euch selbst!« forderte Dildahl sie auf. »Dort auf der Tafel gebe ich mein Tagesmenü bekannt. Heute abend biete ich gekochte Ochsenbrust mit Meerrettich und Kohl an, oder, sollte euch das mehr zusagen, einen schönen Teller Lammkeule, in Erbsen und Knoblauch geschmort, oder eine schmackhafte Linsensuppe. Die Preise sind klar und deutlich angegeben.«
Harbig studierte die Tafel. »Eure Preise scheinen gesund, aber keineswegs überhöht«, konstatierte er. »Wenn die Portionen von befriedigender Größe sind und der Knoblauch im rechten Verhältnis beigefügt ist, sehe ich in diesem Punkt keinen Anlaß zur Klage.
Habe ich recht, Dussel?«
»In jeder Hinsicht, bis auf eine«, sagte Dussel, ein Mann mit einem Mondgesicht und von nicht unbeträchtlicher Körperfülle. »Wir müssen die Kosten und die Nebenkosten für unser Logis genauestens überprüfen.«
»Ganz recht; eine kluge Vorsichtsmaßnahme! Wirt, wie hoch veranschlagt Ihr unsere Zimmermiete, einschließlich aller Nebenkosten und Sonderaufschläge, Steuern, Gebühren für Wasser, Beheizung, Reinigung und Lüftung und Latrinenbenützung?«
Dildahl zitierte die Preise für seine verschiedenen Typen und Klassen von Unterkünften, und die beiden Reisenden einigten sich auf eine Kammer, die in Hinblick auf Preis und Annehmlichkeit ihren Wünschen entsprach.
»Nun denn«, sagte Dildahl. »Damit ist alles soweit geklärt; nun fehlen nur noch Eure Unterschriften auf den Dokumenten. Hier, und hier, wenn ich bitten darf.«
Harbig zögerte immer noch. »Alles scheint soweit in Ordnung, aber warum müssen wir unseren armen Pferden diese schmähliche Last aufbürden? Irgendwie empfinde ich diese Bedingung als einen Quell der Beunruhigung.«
Dussel nickte zustimmend. »Sie scheint mir die Gewähr für einen getrübten Aufenthalt zu sein.«
»Aha!« schrie Dildahl. »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, mit welch hinterhältigen Schlichen und Bravourstücken verbrecherischer Schlauheit ein braver Wirt heutzutage rechnen muß! Niemals werde ich jenes scheinbar arglose junge Paar vergessen, das von den Terrassen her geritten kam und das Feinste bestellte, was mein Haus zu bieten hat. Ich war ihnen freundlich zu Gefallen und trug alles auf, was sie verlangten. Ihr hättet erleben müssen, wie sie schlemmten und praßten! Die ganze Küche war in hellem Aufruhr, um es den beiden nur ja recht zu machen; die ausgefallensten Speisen und edelsten Weine waren ihnen gerade gut genug! Und als ich ihnen am Morgen meine bescheidene kleine Rechnung vorlegte, da schützten sie Mittellosigkeit vor. ›Wir haben kein Geld!‹ sagten sie, fröhlich wie die Lerchen. Ich sagte: ›Dann muß ich wohl eure Pferde nehmen!‹ Da lachten sie nur und sprachen: ›Wir haben keine Pferde! Wir haben sie gegen ein Boot eingetauscht!‹ An jenem Tag lernte ich eine bittere und teure Lektion. Seitdem bin ich auf der Hut!«
»Eine betrübliche Geschichte!« bestätigte Dussel. »Nun denn, Harbig; was meinst du? Sollen wir dieses Papier unterschreiben?«
»Was kann es uns groß schaden?« fragte Harbig. »Diese Preise scheinen angemessen, und wir sind weder Almosenempfänger noch Nachtschwärmer.«
»So sei's denn«, sagte Dussel. »Allerdings muß ich einen Passus hinzufügen. Wirt, ich schreibe: ›Mein Pferd ist äußerst wertvoll und bedarf erstklassiger Pflege.‹«
»Eine gute Idee!« rief Harbig. »Ich werde das gleiche schreiben ... So! Und heute abend will ich mal nicht auf den Pfennig schauen, sondern mir so recht nach Herzenslust den Bauch vollschlagen! Auch wenn es einen runden Pfennig oder
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