Lyonesse 2 - Die grüne Perle
mir mehr!«
»Ich nahm Lady Tatzel gefangen und schleppte sie quer durch das Moor als meine Sklavin. Hätte ich sie beschlafen, wie sie's erwartete, dann hätte sie mich ob meiner Unverschämtheit und Roheit gehaßt. Ich gab sie ihrem Vater heil und unberührt zurück, und jetzt haßt sie mich dafür um so mehr.«
»Das ist die Natur der weiblichen Rasse.«
»Wie wahr! Ich erwartete überschwenglichen Dank und Freudentränen und Lockungen von Tatzel, aber das einzige, was ich bekam, war mürrischer Undank. Aber was viel dringender ist: was ist mit deinen Vorzeichen und Ahnungen, derentwegen ich so rasch nach Hause zurückgekehrt bin? Offensichtlich haben sie sich in Wohlgefallen aufgelöst!«
»Mitnichten! Nichts hat sich verändert, und ich fühle das drohende Unheil genauso stark wie zuvor.«
»Und alles wegen des Zauberers Vishbume?«
»Genau. Er erregt meinen tiefsten Argwohn. Er ist Casmirs Agent: soviel steht unbestreitbar fest, wenn
gleich die Fakten zu weiteren Geheimnissen führen.«
»Und welches sind die Fakten?«
»Dreimal suchte er Haidion auf, und jedesmal erfuhr er dort sofortiges Gehör. Er kam an Bord der
Parsis
nach Troicinet und stellte sorgfältige Nachforschungen bezüglich Dhrun und Glyneth an und brachte seine Erkenntnisse zu Casmir. Jüngst traf er erneut an Bord der
Parsis
hier ein und hält sich zur Zeit in einem Dorf auf, das keine zehn Meilen von Watershade entfernt liegt. Verstehst du jetzt meine Besorgnis?«
»Ich verstehe sie nicht nur, ich teile sie auch. Hält er sich immer noch in Wysk auf?«
»Er logiert im Gasthaus
Katze und Pflug
. Selbstverständlich wird er ständig überwacht. Manchmal studiert er ein Buch mit ledernem Deckel; manchmal fährt er in einem albernen kleinen Ponywagen; manchmal geht er hinaus in den Wald und sucht seltene Kräuter. Die Mädchen im Dorf machen einen großen Bogen um ihn; er stellt ihnen beständig nach und verlangt, daß sie ihm das Haar schneiden oder ihm den Rücken massieren oder auf seinem Schoß sitzen und ein Spiel spielen, welches er ›Hoppe hoppe Reiter‹ nennt. Wenn sie nicht mit ihm zum Kräutersuchen in den Wald gehen wollen, wird er verdrießlich.«
Aillas stieß einen gereizten Seufzer aus. »Morgen muß ich meine Minister konsultieren, sonst sind sie beleidigt. Danach werde ich nach Watershade reiten ... Da Magie im Spiel ist, wäre ich froh, wenn Shimrod hier wäre. Aber ich kann nicht jedesmal nach ihm schicken, wenn der eine oder andere von uns eine böse Vorahnung hat. Er würde rasch die Geduld mit mir verlieren. Nun, wir werden sehen. Jetzt habe ich erst einmal einen Mordshunger. Das Essen an Bord der
Pannuc
genügt bestenfalls mäßigen Ansprüchen. Vielleicht kann die Küche etwas Schmackhaftes zum Abendessen für uns auftreiben; ein Huhn, oder vielleicht ein wenig Schinken mit Eiern, mit Zwiebeln und Lauch in Butter gebraten.«
Während sie aßen, erzählte Yane von König Casmirs geheimem Kriegsschiff. Unter großen Vorsichtsmaßnahmen war der Rumpf in Blaloc vom Stapel gelaufen, und allen Meldungen und Schilderungen nach handelte es sich in der Tat um einen feinen Rumpf, gebaut als solidem Eichenholz, mit niedrigem Freibord und Latein-Takelung für wendige, kurze Manöver, und mit Pfortluken für vierzig Riemen.
Im Schutze der Nacht war der Rumpf sodann von der Werft zu einem Baudock weiter oberhalb in der Murmeil-Mündung geschleppt worden, wo das Takelwerk eingerichtet werden sollte. Statt dessen kamen troicische Schiffe; die Schlepptaue wurden gekappt, und der Rumpf trieb die Flußmündung hinunter auf die offene See. Im Morgengrauen bargen troicische Schiffe das Tau und schleppten den Rumpf in eine der tiefen, engen Buchten auf der Südseite von Dascinet, wo der Rumpf betakelt wurde, um künftig die troicische Marine zu verstärken. Yane berichtete, daß Casmir sich in seiner Wut über den Verlust des Schiffes den halben Bart ausgerissen hat.
»Soll Casmir dutzendweise Schiffe bauen!« schrie Aillas. »Wir werden sie weiterhin kapern, bis er kein Haar mehr im Gesicht hat!«
Aillas und Yane taten sich gerade an ihrem Nachtisch aus Käse und Obst gütlich, als Dhrun in den Raum gestürzt kam, erschöpft von der Reise und mit einem wirren Ausdruck im Gesicht. Aillas sprang auf. »Dhrun! Was ist los?«
»Glyneth ist fort! Sie ist von Watershade verschwunden! Ich konnte es nicht verhindern; es geschah an dem Tag, bevor ich eintraf!«
»Wie verschwand sie? Hat jemand sie entführt?«
»Sie wanderte im
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