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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Diebstahl ist ein Verbrechen! Dieser Ranzen gehört mir! All meine Wertsachen sind darin!«
    Glyneth umklammerte den Ranzen nur um so fester, während sie mit schwindelerregender Geschwindigkeit auf den Schultern der Bestie den Hang hinauf flog.
    Schließlich blieb die Kreatur stehen und setzte Glyneth ab. Glyneth machte sich darauf gefaßt, verschlungen oder auf irgendeine unvorstellbare Weise mißbraucht zu werden, aber das Wesen machte keine Anstalten, ihre Befürchtungen wahr werden zu lassen. Es ging ein paar Schritte zurück und spähte den Hang hinunter. Dann wandte es sich mit einer fast gelassen anmutenden Gebärde um und schaute sie ohne irgendein Zeichen von Bedrohung an, und Glyneth atmete tief durch. Sie richtete ihre Kleider, die in Unordnung geraten waren, dann stand sie da, Vishbumes Ranzen an sich gepreßt, und fragte sich kummervoll, was die Kreatur wohl mit ihr vorhaben mochte.
    Das Wesen gab einige krächzende Laute von sich, als versuche es, Glyneth etwas mitzuteilen. Glyneth horchte angestrengt; wenn es vorhatte, ihr etwas zuleide zu tun, warum sollte es sich dann die Mühe geben, sich ihr verständlich zu machen? Plötzlich begriff Glyneth, daß es versuchte, sie zu beruhigen; die Angst fiel von ihr ab, und obwohl sie versuchte, sich zu beherrschen, begann sie zu weinen.
    Die Kreatur fuhr mit ihren glucksenden und krächzenden Geräuschen fort, und plötzlich glaubte Glyneth, das Wort ›helfen‹ aus dem unverständlichen Gekrächze herausgehört zu haben. Sofort vergaß sie ihre Tränen und lauschte angestrengt. »Sprich langsam!« bat sie das Wesen. »Sag es noch einmal.«
    Mit einer heiseren, schleppenden Stimme begann das Wesen unter großer Anstrengung verständliche Worte zu formen. »Ich ... will dir ... helfen ... Hab keine Angst.«
    Glyneth fragte mit bebender Stimme: »Hat jemand dich geschickt, mir zu helfen?«
    »Ein Mann mit weißem Haar hat mich geschickt. Sein Name ist Murgen. Ich bin Kul! Murgen hat mir gesagt, was ich tun soll.«
    Hoffnung begann in Glyneth zu dämmern. »Und was sollst du tun?«
    »Ich muß dich, so schnell ich kann, zu dem Ort bringen, an dem du in dieses Land gekommen bist. Wir haben nur wenig Zeit, da ich einen weiten Weg zurücklegen mußte, bis ich dich fand. Wir sind schon zu lange hier.«
    Glyneth fragte mit banger Stimme: »Und was ist, wenn wir zu spät kommen?«
    »Das werde ich dir dann sagen.« Erneut spähte Kul den Hang hinunter. »Wir müssen fort von hier! Die Felsenwürmer kommen mit langen, spitzen Speeren, um mich zu töten. Ein Mann in Schwarz gibt ihnen Befehle!«
    »Das ist Vishbume. Er ist ein Zauberer, und ich habe seinen Ranzen mitgenommen. Das hat ihn erzürnt.«
    »Ich werde ihn töten. Kannst du laufen, oder soll ich dich tragen?«
    »Ich kann gut laufen, vielen Dank. Es ist nicht würdevoll, wie ein Sack über deiner Schulter zu hängen, mit dem Hintern in der Luft.«
    »Gut. Wir werden sehen, wie schnell du mit Würde rennen kannst.«
    Sie klommen weiter den Hang hinauf, bis Glyneth zu keuchen anfing, woraufhin Kul sie erneut über die Schulter warf und mit Riesensätzen weiterstürmte. Als Glyneth den Blick zurück wandte, sah sie nur Luft, und irgendwo tief unten in weiter Ferne die Felsen. Kul setzte sich scheinbar mühelos über alle Gesetze der Schwerkraft und des Gleichgewichts hinweg. Von Schwindel gepackt, schloß Glyneth die Augen.
    Am Kamm angekommen, setzte Kul Glyneth wieder ab. »Dort hinten« – er streckte die Hand deutend aus – »hinter dem Wald, steht das kleine Haus. Ich denke, uns bleiben noch zwei Stunden, bis das Tor sich schließt. Wenn alles gutgeht, wirst du bald wieder zu Hause sein.«
    Glyneth schaute Kul an. »Und was wird aus dir?«
    Kul schien verwirrt. »Das weiß ich nicht.«
    »Hast du ein Zuhause hier, oder Freunde?«
    »Nein.«
    »Das gefällt mir gar nicht!«
    »Komm«, sagte Kul. »Die Zeit drängt.«
    Die zwei rannten den Kamm entlang, und als Glyneth nach einer Weile erneut ins Keuchen geriet, warf er sie wieder über die Schulter und stürmte schräg den Hang hinunter. Er ließ sie erst wieder herunter, als sie aus dem Wald herauskamen. »Wir sind da«, sagte Kul. »Laß uns nun sehen, wie die Dinge liegen.«
    Sie blickten über die Wiese. Hundert Schritte von ihnen entfernt stand die Hütte. Vom Flußufer her nahte Vishbume: er ritt auf einer großen, schwarzen, achtbeinigen Kreatur, deren Kopf aus einem komplizierten Gewirr aus biegsamen Stielaugen und röhrenförmigen Freßwerkzeugen

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