Lyonesse 2 - Die grüne Perle
Vishbumes Anweisungen, und sofort verwandelte sich der Streifen Stoff in ein Tischtuch aus feinem Damast, auf welchem sich Speisen aller Art in Hülle und Fülle häuften; sobald die drei sich satt gegessen hatten, schrumpfte das Tuch wieder zusammen.
Glyneth sagte: »Vishbume, du hast im stillen Komplotte geschmiedet. Wenn sie dir helfen, dann ist es unsere eigene Schuld, und wir werden daher wachsam sein und wenig Mitleid mit dir haben, wenn du uns erzürnst.«
»Bah!« murmelte Vishbume. »Ich könnte in jeder Minute ein Dutzend Komplotte ersinnen und mich damit umgeben, so wie jener Baum dort sich mit seinen Blättern umgibt, aber zu welchem Nutzen?«
»Wenn ich es wüßte, würde ich es dir niemals sagen.«
»Ach, Glyneth, deine Worte tun weh! Es gab eine Zeit, da zärtliche Gefühle zwischen uns existierten; hast du das schon vergessen?«
Glyneth verzog das Gesicht, erwiderte aber nichts darauf. »Wie können wir eine Botschaft an Murgen senden?« fragte sie.
Vishbume schien ehrlich erstaunt. »Zu welchem Zweck? Er weiß, daß du hier bist?«
»Damit er ein neues Tor öffnen und uns retten kann.«
»Auch Murgen kann, so groß seine Macht auch immer sein mag, kein neues Tor öffnen, wenn das Pendel schwingt.«
»Erkläre das bitte.«
»Ich sprach in einem Gleichnis. Es gibt kein Pendel. Bei einer bestimmten Schwingung steht die Zeit sowohl hier als auch auf der Erde für einen kurzen Moment still, und das Tor kann an dem einen oder anderen Knoten geöffnet werden. Siehst du den schwarzen Mond, der dort über dem Nordhimmel seine Bahn zieht? Er beschreibt einen Kreis um einen zentralen Pol, und irgendwo an dem Kreis kann ein Knoten geöffnet werden, wenn die Schwingungen synchron sind. Es ist mit schwierigen, komplizierten Berechnungen verbunden, da die Zeit hier und auf der Erde sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegt. Manchmal vergeht die Zeit hier schnell und auf der Erde langsam, und manchmal ist es genau umgekehrt. Nur wenn die Zeit mit derselben Geschwindigkeit läuft, können die Tore geöffnet werden. Sonst könnten überall und zu jeder Zeit Tore geöffnet werden.«
»Wie kann das Tor wieder geöffnet werden, und wo und wann?«
Vishbume stand auf und begann, wie geistesabwesend das Halsband zu lösen. Kul gab der Leine einen kurzen, kräftigen Ruck, und Vishbume war gezwungen, einen schnellen Hüpfer zu machen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Mach das nicht noch einmal«, sagte Kul. »Sei froh, daß der Riemen nur um deinen Hals liegt, und ich ihn dir nicht durch Löcher in den Ohren gezogen habe. Beantworte die Frage, und versuche nicht, uns durch Wortgeklingel zu verwirren.«
Vishbume brummte: »Ihr wollt, daß ich all mein wertvolles Wissen ohne Gegenleistung preisgebe, und trotzdem wollt ihr mich an einer Leine führen, als wäre ich ein Hund oder ein Fortschrittlicher Aal.«
»Aber ohne dein Tun wären wir erst gar nicht in diese Lage gekommen; hast du das schon vergessen?«
Vishbume blies die Luft aus den Wangen. »Man tut einer Sache keinen Dienst, indem man alte Geschichten ausgräbt. Was geschehen ist, ist geschehen, ob es uns Freude bereitet hat oder Kummer! Das ist mein Wahlspruch! An jener Krümmung des Prismas, welche wir das ›Jetzt‹ nennen, sollten wir uns ausschließlich mit den Dingen befassen, die uns unmittelbar berühren.«
»Recht so. Dann beantworte ›jetzt‹ die Frage.«
Vishbume blies sich auf und sagte hochmütig: »Laßt uns praktisch und zweckmäßig vorgehen! Ich muß die Führung innehaben, da ich über das Wissen verfüge, und ihr müßt darauf vertrauen, daß ich unser aller Wohl im Auge habe. Andernfalls müßte ich euch erst all die komplizierten Einzelheiten ...« Vishbume hielt jäh inne, als Kul erneut begann, die Leine straff zu ziehen. »Antworte!«
»Aber genau das wollte ich doch!« jaulte Vishbume beleidigt. »Euer Benehmen ist höchst kompliziert und vielschichtig und übersteigt, so fürchte ich, euer Begriffsvermögen. Die Zeit bewegt sich in bestimmten Phasen; diese sind von Welt zu Welt unterschiedlich. Jede Phase besteht aus neun Schwingungen oder Pulsen oder, genauer ausgedrückt, rhythmischen Konstriktionen, ausgehend von zentralen Schwingungsknoten dessen, was wir ›Synchronizität‹ nennen. Ist das klar? Nein? Genau, wie ich vermutet hatte. Es hat keinen Zweck, daß ich mit meinen Ausführungen fortfahre. Ihr müßt auf mein Wissen vertrauen.«
Glyneth sagte: »Du hast meine Frage noch immer nicht
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