Lyonesse 2 - Die grüne Perle
und Euch gleichzeitig von Süden her anzugreifen. Und wenn er Euch erst sicher im Kerker hätte, wäre es in sein Belieben gestellt, Troicinet anzugreifen. So sind wir ihm in Süd-Ulfland zuvorgekommen, und seine Pläne sind vereitelt. Das ist alles.«
König Audry schnaubte zynisch. »Ich sehe hier aber auch eine Ausdehnung troicischen Ehrgeizes. Sie fügt dem ganzen Theater neue Dimensionen hinzu. Ich habe schon Probleme genug mit Godelia und Wisrod, gar nicht zu reden von den Ska, die meine starke Feste Poëlitetz besetzt halten ... Ah! Gut gerollt, Artwen! Auf geht's, Mnione – zur Attacke! Zerschmettere deine Unterdrückerin!« Dies rief König Audry den spielenden Jungfern zu. Er hob einen Becher Wein an die Lippen und trank, und dann schenkte er auch Sir Tristano welchen ein. »Entspannt Euch nur: dies ist keine Staatsaffäre. Gleichwohl, ich wünschte doch, Aillas hätte einen ausgewachsenen Bevollmächtigten geschickt oder wäre gar selbst gekommen.«
Sir Tristano hob die Schultern. »Ich kann nur wiederholen, was ich vorhin gesagt habe. König Aillas hat mich in alle Einzelheiten seines Planes eingeweiht. Wenn ich spreche, hört Ihr seine Stimme.«
»Ich will nicht um den heißen Brei reden«, sagte Audry. »Unser gemeinsamer Feind ist Casmir. Ich bin jederzeit bereit, unsere Kräfte zu vereinigen und der Gefahr, die er darstellt, ein für allemal ein Ende zu machen.«
»Herr, dieser Vorschlag ist natürlich keine Überraschung für König Aillas – und für Casmir übrigens auch nicht. Aillas antwortet darauf mit folgenden Worten: Im Augenblick befindet Troicinet sich im Frieden mit Lyonesse – ein Zustand, der von Dauer sein mag oder nicht. Wir wollen diese Zeit nutzen. Wir festigen unsere Herrschaft in Süd-Ulfland, wir vergrößern unsere Flotte, und wenn der Frieden hundert Jahre anhält: um so besser. Einstweilen liegt unser dringlichstes Problem bei den Ska. Wollten wir uns mit Euch verbünden, um Lyonesse zu schlagen, wäre das Problem der Ska nicht gelöst, und wir sähen uns einem neuen angriffslustigen Dahaut gegenüber,ohne das Gegengewicht von Lyonesse. Ein Übergewicht in der einen oder anderen Richtung aber können wir nicht hinnehmen; stets müssen wir uns mit unserem ganzen Gewicht hinter den schwächeren von zwei Widersachern stellen. In unmittelbarer Zukunft scheint Ihr dies zu sein.«
Audry runzelte die Stirn. »Eine solche Behauptung ist von beleidigender Kraßheit.«
Sir Tristano ließ sich nicht einschüchtern. »Herr, ich bin nicht hier, um Euch zu erfreuen. Ich soll Euch die Tatsachen vortragen und mir Eure Meinung zu Gehör bringen lassen.«
»Hmmmpf. Dies, behauptet Ihr, sind die Worte König Aillas'.«
»Seine genauen Worte.«
»Ich entnehme ihnen, daß Ihr keine hohe Meinung von meiner militärischen Macht habt.«
»Wollt Ihr das Gutachten hören, das wir in Dom-reis bekommen haben?«
»Sprecht!«
»Ich will den Bericht mehr oder minder so zitieren, wie er uns erreichte: ›Vor allem obliegt es den Rittern von Dahaut, bei einer Parade in glänzender Rüstung und mit prachtvollen Schabracken zu erscheinen, und in der Tat bieten sie dabei ein wackeres Bild. In der Schlacht zeigen sie sich womöglich von einer weniger eindrucksvollen Seite, denn sie sind vom Luxus geschwächt und den Härten eines Feldzuges abgeneigt. Zwänge man sie, einem Feind gegenüberzutreten, würden sie zweifellos ihre Pferde in wackeren Caracolen herumreißen und dem Gegner mit kecken Gebärden Trotz bieten – und das alles aber aus sicherer Entfernung. Bogenschützen und Lanzenträger marschieren mit großer Präzision, und bei jeder Parade sind sie gar wunderbar anzuschauen. Die Komplimente, die sie einheimsen, haben den armen Audry jedoch verblendet; er hält sie für unbezwingbar. Auch sie sind für den Parademarsch ausgebildet, aber sie wissen kaum, welches Ende ihrer Waffe das gefährlich ist. Sie sind alle zu dick und finden offensichtlich wenig Geschmack am Kämpfen.‹«
Audry war empört. »Das ist eine plumpe Ente! Seid Ihr etwa nur hier, um Euch über mich lustig zu machen?«
»Aber nein! Ich bin hier, um eine Botschaft zu übermitteln, und einen Teil davon habt Ihr nun gehört. Der zweite Teil lautet folgendermaßen: König Casmir weiß sehr wohl um Eure militärischen Schwächen. Der mühelose Marsch durch Süd-Ulfland ist ihm verwehrt worden, und nun muß er einen direkten Angriff in Erwägung ziehen. König Aillas fordert Euch dringend auf, Euren Günstlingen den
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