Lyonesse 2 - Die grüne Perle
absurd!« rief König Audry. »Was hätte ich denn für Geheimnisse, die ein Spitzel ausforschen könnte? Ich habe doch keine! Noch das Allerschlimmste ist bekannt!«
Sir Tristano erhob sich. »Eure Majestät, ich habe Euch meine Botschaften überbracht; erlaubt, daß ich mich jetzt verabschiede.«
König Audry schnippte mit den Fingern. »Ihr mögt gehen.«
Sir Tristano verbeugte sich und verließ Falu Ffail.
III
Als Sir Tristano wieder in Domreis war, begab er sich geraden Wegs nach Miraldra, einer düsteren alten Festung mit vierzehn Türmen über dem Hafen. Aillas begrüßte seinen Vetter herzlich. Als die beiden einander gegenüberstanden, war die Ähnlichkeit zwischen ihnen nicht zu übersehen. Tristano war groß, und seine Gliedmaßen erschienen locker; Aillas hingegen, um einen Zoll kleiner, wirkte mager und straff. Beide hatten helles goldbraunes Haar, in Ohrenhöhe gerade abgeschnitten. Tristanos Züge waren gerundet, die von Aillas hingegen scharf. Wie sie so dastanden und lächelten, froh einander zu sehen, hätte man sie für Knaben halten können.
Auf Aillas Vorschlag hin setzten sich beide auf einen Diwan. »Zuallererst«, sagte Aillas, »will ich sagen, daß ich im Begriff bin, nach Watershade zu reisen. Warum kommst du nicht mit?«
»Das tue ich gern.«
»In zwei Stunden brechen wir auf. Hast du schon gefrühstückt?«
»Nur ein wenig Brot mit Quark.«
»Dann sollst du gleich etwas bekommen.« Aillas rief einen Diener, und gleich darauf brachte man ihnen eine Pfanne gebratenen Dorsch mit frischem Brot und Butter, gedünsteten Kirschen und bitterem Bier. Unterdessen hatte Aillas sich erkundigt: »Wie ist es dir auf deiner Mission ergangen?«
»Es waren interessante Episoden dabei«, berichtete Sir Tristano. »Ich ging in Dun Cruighre vom Schiff und ritt nach Cluggach, wo ich eine Audienz bei König Dartweg erhielt. Dartweg ist Kelte, ja, aber nicht alle Kelten sind rothaarige Lümmel, die nach Käse stinken. Dartweg zum Beispiel stinkt nach Bier, Met und Speck. Ich habe nichts Gewinnbringendes von ihm erfahren; die Kelten haben nichts weiter im Sinn, als Met zu saufen und einander die Kühe zu stehlen – das ist die Grundlage ihrer Wirtschaft. Ich bin fest davon überzeugt, daß ihnen eine buntgescheckte Kuh mit prallem Euter mehr wert ist als ein ebenso dralles Weib. Gleichwohl vermag ich an König Dartwegs Gastfreundschaft nichts auszusetzen; ja, eigentlich kann man einen Kelten nur beleidigen, indem man ihn geizig nennt. Sie sind zu jähzornig, um wirklich gute Soldaten zu sein, und zeigen sie sich auch lärmend und derb, so sind sie doch so unberechenbar wie Jungfrauen. Auf einem Gerichtsplatz sah ich einmal fünfzig Männer, die sich in den Haaren lagen; sie brüllten einander nieder, und nicht selten fuhr eine Hand nach dem Schwert. Ich glaubte, es müsse bei dieser Debatte um Krieg oder Frieden gehen, aber wie ich herausfand, drehte sich der Disput um die Frage, wer vor drei Jahren den größten Lachs gefangen habe. Dartweg aber stand mitten dazwischen und brüllte lauter als alle anderen. Dann erschien ein Druide in einer braunen Kutte mit einem Mistelzweig an der Kapuze. Er sprach nur ein einziges Wort, und alle verstummten, schlichen davon und versteckten sich im Schatten. Ich sprach später mit Dartweg über dieses Ereignis und lobte den mäßigenden Einspruch des Druiden. Dartweg erklärte, der Druide schere sich nicht für einen Pfifferling um Mäßigung oder Rat; er habe nur Einspruch erhoben, weil der Lärm einen Schwarm heiliger Krähen in einem nahen Hain erschreckt habe. Trotz der christlichen Kirchen, die nun allenthalben aus dem Boden schießen, haben die Druiden also immer noch Macht.«
»Schön«, sagte Aillas, »du hast mir genug von Godelia erzählt. Um dort Einfluß zu gewinnen, muß ich entweder auf einem weißen Stier vom Himmel herabgeritten kommen und die Scheibe Lugs in den Händen halten, oder ich muß den größten Lachs des Sommers fangen. Was weiter?«
»Ich setzte mit der Fähre über die Skyre und gelangte nach Xounges. Es gibt keinen anderen Zugang; die Ska kontrollieren die Landwege. Gax wohnt in einem ungeheuerlichen Steinpalast namens Jehaundel, wo die Decken sich hoch oben im Schatten verlieren. Die Hallen dort sind wie Höhlen und bieten wenig Behaglichkeit, weder für Gäste noch für Höflinge, noch auch für Gax selbst.«
»Aber du hast Gax getroffen?«
»Nur nach großen Schwierigkeiten. Gax ist inzwischen ein Invalide, und sein Neffe,
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