Lyonesse 2 - Die grüne Perle
Ähnlichkeit mit Euch aufweist, die derberen Bezirke von Domreis durchstreift? Nein? Dieser Mann gereicht Eurem Leumund nicht zur Ehre! Erst jüngst warf ich kurz vor Mitternacht zufällig einen Blick in den
Grünen Stern
, und da sah ich diesen Kerl. Er stand mit einem Fuß auf einer Bank, mit dem andern auf dem Tisch, schwenkte einen Krug Bier und trällerte lauthals ein Sauflied; gleichzeitig hielt er eins der Tavernenweiber mit eisernem Griff umschlungen. Sein Bart war exakt der gleiche wie der Eure, und er schien sich allerbester Gesundheit zu erfreuen.«
»Wie ich den Mann beneide!« murmelte Pirmence. »Was gäb ich drum, sein Geheimnis zu erfahren!«
»Vielleicht werdet Ihr's in Süd-Ulfland erfahren. Wie auch immer, ich betrachte Euer Mitwirken als unerläßlich. Schließlich: Wenn einer wichtiges Wild jagt, nimmt er den alterfahrenen Jagdhund mit. Ich vertraue darauf, daß Ihr den Moorbaronen Ordnung auferlegt.«
Lord Pirmence hüstelte dezent. »Ich würde nicht einen einzigen windigen Tag in diesem wüsten Moorland überleben!«
»Im Gegenteil! Ihr werdet in dem frischen Klima geradezu erblühen! ›Ein Ulf lebt ewig – es sei denn, er wird durchs Schwert niedergestreckt oder erstickt an seinem Fleisch oder fällt betrunken in den Sumpf!‹ So sagen die Ulf. Ihr werdet sehen: Ihr werdet bald so stark und gesund sein wie nie zuvor!«
Lord Pirmence schüttelte den Kopf. »Wirklich, ich bin nicht Euer Mann! Ich habe wenig Zartgefühl mit Bauernlümmeln und Moorbewohnern. Selbst mit dem besten Willen auf der Welt werde ich unserer Sache gewiß einen schlechten Dienst erweisen.«
»Seltsam«, sagte Aillas mit verwundertem Blick, »man berichtete mir, daß Ihr in jüngster Zeit geradezu ein Experte auf dem Gebiet der Geheimdiplomatie geworden seid!«
Lord Pirmence spitzte die Lippen, zupfte sich am Schnauzbart und blickte zur Decke. »Hm, ha! Das ist nicht ganz richtig! Gleichwohl – wenn die Pflicht ruft, muß ich alles andere vergessen und in die Bresche springen.«
»Das ist die Antwort, die ich von Euch erwartet habe«, sprach Aillas.
Als Aillas eine Stunde vor dem Auslaufen der Flottille den Landungssteg hinunterschritt, fand er Shimrod vor einem Stapel Ballen lungernd. Aillas blieb stehen. »Was treibst du denn hier?«
»Ich habe auf dich gewartet.«
»Warum hast du dich nicht auf Miraldra blicken lassen? Ich laufe mit der Flut nach Süd-Ulfland aus!«
»Darin sehe ich kein Problem. Ich werde dich begleiten, wenn ich darf.«
»An Bord des Schiffes? Nach Ys?«
»Das hoffe ich.«
»Natürlich kannst du mitkommen.« Aillas musterte Shimrod scharf. »Du führst doch irgendwas im Schilde! Woher deine plötzliche Sehnsucht nach dem Hinterland?«
»Die Stadt Ys ist wohl kaum Hinterland.«
»Ich sehe, du hast nicht die Absicht, mich einzuweihen.«
»Da gibt's nichts einzuweihen. Ich habe ein paar geschäftliche Dinge an einem Ort unweit von Ys zu erledigen, und während der Reise werde ich mich deiner Gesellschaft erfreuen.«
»Gut, dann komm an Bord. Aber mach dich darauf gefaßt, daß du im Kielraum schlafen mußt.«
»Jedes kleine Loch, wie zum Beispiel die Kapitänskajüte, soll mir recht sein.«
»Es freut mich, daß du so flexibel bist. Wir werden sehen, was sich einrichten läßt.«
II
Vorangetrieben von günstigen Winden, machten die Schiffe aus Troicinet eine angenehme Fahrt über den Lir. Am zweiten Tag der Reise umrundeten sie das Kap des Wiedersehens, danach plagten sie sich drei Tage lang durch Flauten und launische Winde vorwärts, während nur eine Meile weiter östlich die hohen Klippen von Kegan aufragten, umschäumt von weißem Gischt.
Meile um Meile quälte sich die Flottille nordwärts, bis schließlich die Umrisse von Kap Kellas am Horizont auftauchten.
Die Flottille umrundete das Kap, passierte den Säulentempel der Atlante, segelte in die weite Mündung des Evanderflusses hinein und ging vor den Docks der Stadt Ys vor Anker.
Nacheinander näherten sich die Schiffe den Hafenanlagen, löschten Truppen und Fracht, nahmen frisches Wasser und auf dem Heimweg befindliche Kontingente an Bord und stachen wieder in See.
Aillas unterredete sich mit seinen Kommandeuren und erhielt sowohl gute als auch schlechte Nachrichten. Seine tadelnden Worte gegen Raubzüge, Plünderungen und die Durchführung von Fehden waren im großen und ganzen beachtet worden. Einige der Barone pflichteten dem Ruf nach öffentlicher Ordnung von ganzem Herzen bei; andere hinwiederum schienen
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