Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lyonesse 3 - Madouc

Titel: Lyonesse 3 - Madouc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
ein Mann von vorgerücktem Alter, aber immer noch gerade und aufrecht, mit einem sanften Mund und der Stirn eines Träumers in einem ansonsten strengen Antlitz. Madouc wußte wenig von Kerce, außer daß er der Sohn eines irischen Druiden und ein Poet besonderer Art sein sollte.
    Nach einem einzigen kurzen Seitenblick zur Tür fuhr Kerce mit seiner Arbeit fort. Madouc ging langsam in den Raum. Die Luft war schwanger von dem aromatischen Duft von altem Holz, Wachs und Lavendelöl und dem süßen, modrigen Geruch von gut gegerbtem Leder. Tische zur Linken und zur Rechten trugen mächtige, in schlaffem Leder oder schwerem schwarzen Filz gebundene Folianten von zwei oder drei Fuß Höhe und drei Zoll Dicke. An den Wänden waren Regale, vollgestopft mit Schriftrollen, Pergamenten in Zedernholzkästen, zu Packen gebundenen Schriften und Büchern, die zwischen sorgfältig gepunzten Buchenholzdeckeln eingezwängt waren.
    Madouc näherte sich Kerce mit zögernden Schritten. Schließlich richtete er sich auf seinem Stuhl auf und wandte den Kopf zur Seite, um ihr Nahen zu beobachten – nicht ohne eine leise Spur von skeptischem Argwohn, denn Madoucs Ruf war sogar bis in die stillen Tiefen der Bibliothek vorgedrungen.
    Madouc blieb neben dem Tisch stehen und blickte hinunter auf das Manuskript, an dem Kerce gearbeitet hatte. Sie fragte: »Was macht Ihr da?«
    Kerce schaute mit kritischem Blick auf das Manuskript. »Vor zweihundert Jahren bestrich irgendein namenloser Tölpel diese Seite mit einer Paste aus zu Pulver zerstoßener Kreide, vermengt mit Sauermilch und Seetangharz. Dann versuchte er, die
Ode an den Morgen
von Merosthenes niederzuschreiben, die dieser der Nymphe Laloe gewidmet hatte, nachdem er sie eines Sommermorgens beim Pflücken von Granatäpfeln in seinem Garten beobachtet hatte. Der Tölpel ging ohne jede Sorgfalt zu Werke, und seine Buchstaben schauen aus, wie Ihr seht, als ob ein Vogel seinen Kot auf dem Blatte abgesetzt hätte. Ich tilge nun sein Gekritzel aus und entferne seinen abscheulichen Kompost, aber mit allerhöchster Behutsamkeit, denn darunter könnten sich bis zu fünf Schichten noch älterer und fesselnder Mysterien verbergen. Oder aber ich finde zu meinem Leidwesen noch weitere Zeugnisse von Schlampigkeit oder Stümperei. Gleichwohl muß ich jede Schicht sorgfältig examinieren. Wer weiß? Ich könnte womöglich einen von Jirolamos verschollenen Gesängen freilegen. Nun wißt Ihr es: ich bin ein Entdecker von uralten Mysterien; das ist mein Beruf und zugleich mein großes Abenteuer.«
    Madouc betrachtete das Manuskript mit neuem Interesse. »Ich hatte keine Ahnung, daß Ihr so ein aufregendes Leben führt!«
    Kerce sprach feierlich: »Ich bin unerschrocken, und ich trotze jeder Herausforderung! Ich schabe an der Oberfläche dieses Blattes mit dem Feingefühl eines Wundarztes, der den Karbunkel eines zornigen Königsaufschneidet!Abermeine Hand ist geschickt, und meine Werkzeuge sind fein und verläßlich! Schaut sie Euch an, treue Kameraden allesamt: mein wackerer Dachshaarpinsel, mein braves Napfschneckenöl, meine Feuerkieselschneide und meine gefährlichen Knochennadeln, meine zuverlässigen Schabehölzchen! Sie alle sind treue Paladine, die mir stets gut gedient haben! Gemeinsam haben wir schon viele weite Reisen gemacht und unbekannte Länder besucht!«
    »Und seid noch stets heil und wohlbehalten zurückgekommen!«
    Kerce warf ihr einen halb spöttischen, halb fragenden Blick zu, die eine Braue hochgezogen, die andere zu einem schiefen Haken gekrümmt. »Ich verstehe nicht ganz, was Ihr damit meint.«
    Madouc lachte. »Ihr seid heute schon der zweite, der mir dieses sagt.«
    »Und welches war Eure Antwort?«
    »Ich erklärte, daß meine Worte das bedeuteten, was sie bedeuteten.«
    »Ihr habt seltsame Einfälle in Eurem Kopf für eine so junge Person.« Kerce schwenkte auf seinem Stuhl herum und widmete ihr seine volle Aufmerksamkeit. »Und was führt Euch hierher? Ist es eine Laune oder das Werk der Vorsehung?«
    Madouc sagte nüchtern: »Ich habe eine Frage, die Ihr mir, so hoffe ich, beantworten werdet.«
    »Dann fragt nur frisch heraus; ich werde all mein Wissen vor Euch ausbreiten.«
    »In jüngster Zeit ist hier auf Haidion oft die Rede von Reliquien. Nun hat insbesondere jene Reliquie, die man den Heiligen Gral nennt, meine Neugier geweckt. Gibt es in der Tat einen solchen Gegenstand? Wenn ja, wie sieht er aus, und wo könnte er zu finden sein?«
    »Vom Heiligen Gral kann ich Euch nur

Weitere Kostenlose Bücher