Lyonesse 3 - Madouc
»Ich bin ganz sicher! Dort drüben ist sie! Überzeugt Euch mit eigenen Augen!« Er deutete aufgeregt auf eine Stelle im Wald, und als Madouc hinschaute, sah sie gerade noch, wie etwas hinter den Bäumen verschwand. Travante schrie: »Halt! So bleib doch stehen! Ich bin's, Travante!« Er stürmte in den Wald und schrie: »Entfleuch mir doch jetzt nicht! Ich sehe dich ganz klar und deutlich! Warum hältst du nicht inne? Warum fliehst du mich?«
Madouc und Sir Pom-Pom folgten ihm ein Stück, dann blieben sie stehen und horchten, in der Hoffnung, Travante werde zurückkommen, aber seine Rufe wurden immer leiser und waren schließlich nicht mehr zu hören.
Die zwei kehrten langsam zum Pfad zurück. Sie blieben immer wieder stehen und lauschten, ob Travante zurückkäme, aber der Wald war still geworden. Auf dem Pfad angekommen, verharrten sie noch eine Stunde lang in banger Erwartung, doch schließlich erschien ihnen das Warten immer aussichtsloser, und sie marschierten widerstrebend weiter nach Westen.
Am Mittag erreichten sie die Große Nord-Süd-Straße, wo sie sich nach Süden wandten, Sir Pom-Pom wie immer vorneweg.
Schließlich blieb Sir Pom-Pom stehen und schaute verärgert über die Schulter zurück. »Ich habe den Wald satt! Das offene Land liegt vor uns; warum bummelt Ihr so?«
»Es geschieht ohne mein Wissen«, sagte Madouc. »Der Grund ist vermutlich dieser: Jeder Schritt bringt mich Haidion näher, und ich bin zu dem Schluß gelangt, daß ich zur Vagabundin besser tauge denn zur Prinzessin.«
Sir Pom-Pom ließ ein verächtliches Grunzen hören. »Ich für mein Teil bin es leid, ständig durch den Dreck zu stapfen! Die Pfade nehmen nie ein Ende; sie münden einfach in einen anderen Pfad, so daß ein Wanderer nimmer ans Ziel seiner Reise gelangt.«
»Das ist das Wesen des Vagabundentums.«
»Bah! Das ist nichts für mich! Die Landschaft verändert sich alle zehn Schritte; noch ehe man beginnen kann, den Anblick zu genießen, ist er auch schon wieder verschwunden!«
Madouc seufzte. »Ich verstehe deine Ungeduld. Sie ist nur billig. Du willst so schnell als möglich den Heiligen Gral präsentieren und große Ehren einheimsen.«
»Die Ehren brauchen so groß gar nicht zu sein«, entgegnete Sir Pom-Pom. »Der Rang eines Barons oder Ritters, ein kleines Gut mit einem Herrenhaus, Ställen, einer Scheune, einem Schweinekoben, Vieh, Geflügel und Bienenkörben, einem kleinen Wald und einem fischreichen Bach würden mir schon genügen.«
»All dies magst du wohl bekommen«, sagte Madouc. »Was mich betrifft, so würde ich, wenn ich nicht wollte, daß Spargoy, der Oberste Herold, Sir Pellinore für mich identifiziert, wohl gar nicht mehr nach Haidion zurückkehren.«
»Das ist närrisch«, sagte Sir Pom-Pom.
»Das mag wohl sein«, sagte Madouc.
»Jedenfalls, da wir nun einmal beschlossen haben, zurückzukehren, sollten wir uns denn auch sputen und nicht bummeln.«
4
An der Alten Straße wandten sich Madouc und Sir Pom-Pom nach Westen und erreichten beizeiten das Dorf Froschmarschen und die Straße Richtung Süden, auch bekannt als die ›Untere Straße‹, die nach der Stadt Lyonesse führte.
Im Lauf des Nachmittags türmten sich im Westen dunkle Wolkenberge auf, und als es auf den Abend zuging, peitschten Regenschauer das Land. Auf einerkleinen Wiese hinter einem Gehölz von Ölbäumen schlug Madouc das Zelt auf, und die zwei rasteten in Wärme und Geborgenheit, während der Regen auf das Zelt trommelte. Fast die ganze Nacht hindurch zuckten die Blitze und rollte der Donner, doch am Morgen hatten die Wolken sich verzogen, und die Sonne strahlte hell auf eine frische und feuchte Welt.
Madouc ließ das Zelt wieder zum Schnupftuch schrumpfen, und die zwei setzten ihren Marsch fort. Der Weg führte zuerst durch ein Gebiet mit Felsen und Schluchten, zwischen den Zwillingsklippen Maegher und Yax hindurch, dann einen langgezogenen welligen Hang hinunter, von dem aus in der Ferne die schimmernde Fläche des Lir zu sehen war.
Von hinten nahte das Dröhnen galoppierender Hufe heran. Die zwei wichen an den Wegesrand, und die Reiter sprengten vorüber: drei schneidige Junker, gefolgt von drei Stallbedienten. Madouc schaute im selben Moment auf, als Prinz Cassander zur Seite und in ihr Gesicht blickte. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, und in dieser winzigen Zeitspanne verwandelte sich Cassanders Gesicht in eine Maske schierer Verblüffung. Mit wild fuchtelndem Arm bedeutete er seinen
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