Lyonesse 3 - Madouc
Pom-Pom barsch. »Ich will kein Gespons, das so eigensinnig und rücksichtslos ist wie die königliche Prinzessin.«
Travante sagte lächelnd: »Vielleicht wird Madouc, ist sie erst einmal vermählt, artig und folgsam.«
»Ich für mein Teil ginge ein solches Risiko nicht ein«, erwiderte Sir Pom-Pom. »Vielleicht freie ich Devonet, die sehr hübsch und bemerkenswert niedlich ist, wenn auch ein wenig scharfzüngig. Sie schalt mich einmal bitterlich wegen eines lockeren Sattelgurtes aus. Solche kleinen Mängel lassen sich jedoch mit einer Tracht Prügel rasch kurieren.« Sir Pom-Pom nickte bedächtig und versonnen. »Ich muß die Sache gut bedenken.«
Eine Weile folgte der Weg dem Fluß: vorbei an Weihern, von Trauerweiden überdacht; an Stromab-schnitten entlang, wo Röhricht in der Strömung bebte und wippte. An einem Felsvorsprung schwenkte der Fluß nach Süden; der Pfad schlängelte sich eine Anhöhe hinauf, stieß steil in eine Senke hinunter, machte einen Schwenk und führte unter riesigen Ulmen entlang, deren Laub im Licht der Nachmittagssonne in allen denkbaren Schattierungen von Grün leuchtete.
Die Sonne ging unter, und die Abenddämmerung senkte sich über das Land. Als Schatten über den Wald fielen, mündete der Weg auf eine stille Lichtung, die bis auf die Ruinen eines alten Steinkottens leer war. Travante spähte durch die Türöffnung. Auf dem dick mit Staub und faulendem Laub bedeckten Boden standen ein alter Tisch und ein Schrank, der wie durch ein Wunder immer noch seine Tür hatte. Travante öffnete die Tür und fand in einem hohen Fach ein Büchlein aus steifem Pergament, dessen Seiten zwischen Platten aus grauem Schiefer gebunden waren. Er gab das Büchlein Madouc. »Meine Augen taugen nicht mehr zum Lesen. Die Wörter verschwimmen und enthüllen keines ihrer Geheimnisse. In den alten Zeiten, bevor meine Jugend entschlüpfte, war das nicht so.«
»Ihr habt einen schweren Verlust erlitten«, sagte Madouc. »Was die Abhilfe anbelangt, könnt Ihr gewiß nicht mehr tun als das, was Ihr tut.«
»Das ist auch mein Gefühl«, sagte Travante. »Ich lasse den Mut nicht sinken.«
Madouc ließ den Blick über die Lichtung schweifen. »Dies scheint ein geeigneter Platz zum Übernachten, zumal die Dämmerung schon bald den Weg verdunkeln wird.«
»Einverstanden«, sagte Travante. »Ich bin bereit zum Rasten.«
»Und ich bin bereit zum Essen«, sagte Sir Pom-Pom. »Wir haben heute keine Nahrung angeboten bekommen bis auf Throops Trauben, die wir zurückwiesen. Jetzt habe ich Hunger.«
»Dank meiner lieben Mutter können wir sowohl rasten als auch speisen«, sagte Madouc. Sie breitete das rosafarbene und weiße Schnupftuch auf dem Erdboden aus und schrie: »Aroisus!« Das Schnupftuch verwandelte sich einmal mehr in ein Zelt. Beim Eintreten fanden die drei Reisenden den Tisch wie üblich mit einer reichen Fülle erlesener Eßwaren beladen: ein Rinderbraten an Pudding aus Mehl und Talg; frisch geröstetes Geflügel und knuspriger Bratfisch; ein Ragout vom Hasen und ein zweites von Tauben; eine große Schüssel mit Miesmuscheln, gedünstet in einem Sud aus Butter, Knoblauch und Kräutern; Kressesalat; Butter und Brot, Pökelfisch, eingelegte Gurken, drei Sorten Käse; Milch, Wein, Honig; Pfannkuchen, wilde Erdbeeren mit Sahne und vieles andere mehr. Die drei erfrischten sich in Becken mit parfümiertem Wasser, dann schmausten sie bis zur Sättigung.
Im Schein der vier Bronzelampen untersuchte Madouc das Büchlein aus dem Kotten. »Es scheint so etwas wie ein Almanach zu sein oder eine Sammlung von Aufzeichnungen und Ratschlägen. Verfaßt wurde es von einer Maid, die in dem Kotten lebte. Hier ist ihr Rezept für eine feine Gesichtsfarbe: ›Es heißt, daß Mandelcreme, vermengt mit Öl vom Mohn, sehr gut sei, sofern die Mixtur gewissenhaft aufgetragen wird; nicht minder gut ist auch eine Lotion von Alyssumblüten, getränkt in der Milch einer weißen Füchsin (O weh! Wo sollte eine weiße Füchsin zu finden sein?), sodann vermengt mit einer Prise feingemahlener Kreide. Was mich betrifft, so verfüge ich über keine dieser Ingredienzen und würde sie, selbst wenn ich sie zur Hand hätte, wohl auch nicht benutzen, da ohnehin niemand zugegen ist, der es bemerken würde.‹ Hmm.« Madouc blätterte eine Seite weiter.
»Hier ist eine Anleitung, wie man Krähen das Sprechen lehrt. ›Zunächst finde eine Jungkrähe von munterem Wesen, fidel und begabt. Du mußt sie nett behandeln, wenngleich du nicht
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