Lyonesse 3 - Madouc
Kameraden anzuhalten, dann riß er sein Pferd herum und trabte zurück, um zu prüfen, ob ihn seine Augen getrogen hatten oder nicht.
Cassander zügelte sein Roß vor Madouc, und sein Gesichtsausdruck verwandelte sich von einem der Verblüffung in einen solchen von halb herablassender, halb mitleidiger Belustigung. Er musterte Madouc von Kopf bis Fuß, warf einen knappen Blick auf Sir Pom-Pom, dann lachte er ungläubig. »Entweder unterliege ich einer Sinnestäuschung, oder diese ungekämmte, zerlumpte Gestalt, die da in der Gosse herumlungert, ist wahrhaftig die Prinzessin Madouc! Auch bekannt als Madouc von den Hundert Törichten Streichen und den Fünfzig Übeltaten!«
Madouc versetzte mürrisch: »Du kannst diesen anmaßenden Ton ruhig ablegen, da ich weder eine Närrin noch eine Übeltäterin bin; auch ›lungere‹ ich nicht herum.«
Cassander sprang von seinem Pferd. Die Jahre hatten ihn verändert, dachte Madouc, und nicht zu seinem Besseren. Seine Freundlichkeit war unter einer Schale von Eitelkeit verschwunden; sein aufgesetztes Gebaren machte ihn großspurig; mit dem roten Gesicht, den dichten messingfarbenen Locken, dem Schmollmund und den harten blauen Augen wirkte er wie eine unausgegorene Kopie seines Vaters. In gemäßigtem Ton antwortete er Madouc: »Dein Zustand ist würdelos; du bringst Spott über uns alle.«
Madouc zuckte bloß die Achseln und versetzte kühl: »Wenn dir mein Anblick nicht zusagt, dann schau halt woanders hin.«
Cassander warf den Kopf zurück und lachte. »Dein Aussehen ist freilich gar nicht so schlimm; im Gegenteil, das Reisen scheint dir zu bekommen! Aber deine Taten gereichen dem Königshaus zum Schaden.«
»Ha!« stieß Madouc höhnisch hervor. »Deine eigenen Taten sind auch nicht über Kritik erhaben. Mehr noch, sie sind ein Skandal, wie jedermann weiß.«
Cassander lachte wieder, wenn auch ein wenig verunsichert. Seine Kameraden stimmten in sein Lachen ein. »Ich spreche von unterschiedlichen Taten«, sagte Cassander. »Soll ich sie aufzählen? Erstens: Du löstest mit deinem Verschwinden ein wahres Furore von hysterischen Nachforschungen aus. Zweitens: Du verursachtest eine Flut von Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen, die wohl oder übel in alle Richtungen ausgestoßen wurden. Drittens: Du hast eine Fülle von Zorn, Groll, Kummer, Weh und schlimmen Gefühlsregungen genährt. Viertens: du hast dich zur Zielscheibe für eine Flut von bitteren Vorwürfen, Drohungen, Flüchen und Verwünschungen gemacht. Viertens: ...«
»Genug!« sagte Madouc. »Es scheint, daß ich nicht beliebt auf Haidion bin; du brauchst nicht fortzufahren. Dies alles ist unerheblich, und du selbst sprichst in Unkenntnis.«
»Ganz recht. Dem Fuchs im Hühnerstall kann man nicht das Gackern der Hühnchen zur Last legen.«
»Deine Witze sind zu luftig, als daß ich sie verstehen könnte.«
»Das macht nichts«, sagte Cassander. Er deutete mit dem Daumen auf Sir Pom-Pom. »Ist das nicht einer der Stallburschen?«
»Na und? König Casmir gestand mir Pferde und einen Begleiter zu. Unsere Pferde wurden uns gestohlen, also gehen wir jetzt zu Fuß.«
»Für eine königliche Prinzessin ist ein Stallbursche kein angemessener Begleiter.«
»Ich kann mich nicht beklagen. Sir Pom-Pom – oder Pymfyd, wie du ihn kennst – hat sich gut geführt, und unsere Suche ist größtenteils erfolgreich verlaufen.«
Prinz Cassander schüttelte verwundert den Kopf. »Und was war das für eine wunderbare Suche, daß Seine Majestät sie so bereitwillig billigen sollte?«
»Sir Pom-Pom fahndete nach heiligen Reliquien, gemäß der Proklamation des Königs. Ich für mein Teil zog aus – auf des Königs eigenes Geheiß –, meinen Stammbaum zu ermitteln.«
»Merkwürdig, äußerst merkwürdig!« sagte Cassander. »Vielleicht war der König zerstreut und gab keine Acht; er muß an viele Dinge denken. Wir werden in ein paar Tagen zu einem großen Kolloquium nach Avallon reisen, und Seine Majestät hat vielleicht nicht verstanden, was im Gange war. Was nun deinen Stammbaum anbelangt: Was hast du – wenn überhaupt – herausgebracht?«
Madouc maß Cassanders grinsende Gefährten mit einem hochmütigen Blick. »Das ist keine Angelegenheit, die man vor Untergebenen erörtern kann.«
Der Frohsinn von Cassanders Freunden erstarrte ihnen auf dem Gesicht.
»Wie du möchtest«, sagte Cassander. Er wandte den Blick auf die drei Stallbedienten. »Du, Parlitz, sitzest ab und reitest auf Ondels Pferd mit; die
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