Lyonesse 3 - Madouc
sagen; das schlägt in den Aufgabenbereich des Hausmeiers und der Herolde. Wollt Ihr noch mehr sehen?«
»Nein danke.«
Tibalt geleitete Madouc zurück durch das Portal und in die Halle der Toten Götter. Aus der Empfangshalle drang Stimmengewirr.
Tibalt sagte aufgeregt: »Entschuldigt mich bitte, ich habe mich von meinem Posten absentiert! Jemand ist angekommen, und ich möchte vermuten, daß es Prinz Dhrun mit seiner Eskorte ist.«
Tibalt rannte hurtig zurück in die Empfangshalle; Madouc folgte ihm auf den Fersen. Als sie die Empfangshalle gewann, gewahrte sie Prinz Dhrun und drei troicische Würdenträger in Gesellschaft von König Audry, zusammen mit den Prinzen Dorcas, Whemus und Jaswyn sowie den beiden Prinzessinnen Cloire und Mahaeve. Madouc schlängelte sich durch das Gedränge der Höflinge, um näher an Dhrun heranzukommen, aber es blieb beim Versuch: Er und seine Begleiter wurden von König Audry weggeführt.
Madouc kehrte ohne Hast zu ihrem Quartier zurück. Sie fand Kylas mit steinerner Miene im Salon sitzend.
Kylas sprach in spitzem Ton: »Als ich von dem Botengang zurückkam, wart Ihr fort. Wo wart Ihr?«
»Das ist unwichtig«, erwiderte Madouc. »Ihr braucht Euch mit Einzelheiten dieser Art nicht zu behelligen.«
»Es ist meines Amtes, Euch zu bedienen«, beharrte Kylas.
»Wenn ich Eure Hilfe benötige, werde ich Euch in Kenntnis setzen. Ihr dürft Euch jetzt zurückziehen.«
Kylas erhob sich. »Ich werde gleich zurück sein. Man hat Euch eine Zofe zugewiesen, die Euch beim Ankleiden für das Abendbankett behilflich sein wird; die Königin hat angeregt, daß ich Euch beim Auswählen eines passenden Gewandes aus Eurer Garderobe zur Seite stehe.«
»Das ist Unsinn«, sagte Madouc. »Ich brauche keinen Rat. Kommt erst, wenn ich Euch rufe!«
Kylas stolzierte aus dem Raum.
Madouc kleidete sich früh an, und nach einem nur winzigen Moment der Unschlüssigkeit entschied sie sich für das Kleid aus schwarzrotem Samt. Sie machte sich früh und allein auf den Weg in die Große Halle, wo sie Dhrun vor der Eröffnung des Banketts vorzufinden hoffte.
Dhrun war jedoch noch nicht zugegen. Prinz Jaswyn, Audrys drittgeborener Sohn, ein dunkelhaariger Jüngling von fünfzehn Jahren, trat vor und geleitete sie zu einem Platz an der Tafel neben seinem eigenen; den Platz an ihrer anderen Seite nahm Prinz Raven von Pomperol ein.
Dhrun erschien schließlich und wurde zu einem Stuhl geführt, der auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches und sechs Plätze seitlich von ihrem stand. Er hatte seine Reisekleidung gegen ein indigoblaues Wams und ein weißes Hemd ausgetauscht – ein schlichtes Kostüm, das seine helle Gesichtsfarbe und seine hübsche Kappe dunkelblonden Haares vorteilhaft zur Geltung brachte. Er bemerkte Madouc und winkte ihr zu, wurde jedoch danach sogleich von der Prinzessin Cloire in ein Gespräch verwickelt; und in den Pausen, wenn sie ihre Aufmerksamkeit lockerte, sah er sich von Königin Linnet von Pomperol mit Beschlag belegt.
Das Bankett nahm seinen Lauf, Gang um Gang; Madouc hörte schon bald auf, von den Gerichten zu essen oder auch nur zu kosten. Die vier Pokale vor ihr enthielten zwei Sorten Rotwein, einen milden Weißwein und einen herben grünen Wein; sie wurden aufgefüllt, sobald Madouc auch nur daran nippte, und sie ließ bald davon ab, aus Furcht, sie könne einen Schwips bekommen. Prinz Jaswyn war ein unterhaltsamer Tischgesellschafter, wie auch Prinz Raven, der jüngste Sohn von König Kestrel und Bruder des entsetzlichen Bittern, den ein Schnupfen im Verein mit Asthma von der Reise nach Avallon abgehalten hatte. Mehrere Male während des Banketts fand Madouc Königin Sollaces eisigen Blick auf sich geheftet, aber sie tat so, als bemerke sie es nicht.
König Audry erhob sich schließlich, zum Zeichen, daß das Bankett beendet und die Tafel aufgehoben sei. Aus dem angrenzenden Ballsaal schallten sofort die leisen Klänge von Lauten herüber. Madouc entschuldigte sich hastig bei den Prinzen Jaswyn und Raven, schlüpfte von ihrem Stuhl und schickte sich an, um den Tisch herum zu rennen, um sich Dhrun zu nähern. An diesem Vorhaben wurde sie zunächst von Prinz Whemus gehindert, der den Wunsch hatte, sie zu beehren und ein Gespräch mit ihr anzufangen. So schnell und höflich wie möglich riß Madouc sich los, doch als sie zu Dhrun blickte, war dieser nirgends mehr zu sehen. Ah, dort war er ja, auf der anderen Seite des Tisches! Madouc ging denselben Weg zurück, doch nur, um
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