Lyonesse 3 - Madouc
Hohen Turms und beobachteten, wie sie über eine Leiter zu einer Ansammlung verwaister Taubenschläge hinaufklomm. Als sie nach einer Weile wieder herunterkam und über die Treppe davonhastete, schlüpften Devonet, Chlodys und Ydraint aus ihrem Versteck, stiegen die Leiter hinauf, stießen durch eine Falltür in die Dachstube und untersuchten vorsichtig die Taubenschläge. Zu ihrer Enttäuschung fanden sie nichts vor als Staub, Dreck, ein paar Federn und einen üblen Geruch, aber keinen Hinweis auf verderbtes Treiben. Verdrießlich kehrten sie zur Falltür zurück – doch nur, um zu entdecken, daß die Leiter nicht mehr da war.
Mittags wurde das Fehlen von Devonet, Chlodys und Ydraint schließlich bemerkt, zur allgemeinen Verblüffung. Artwen, Elissia und Felice wurden befragt, konnten jedoch nichts über den Verbleib der drei sagen. Lady Desdea befrug daraufhin in scharfem Ton Madouc, die Verblüffung heuchelte. »Sie sind sehr faul; vielleicht liegen sie noch im Bett und schlafen.«
»Das ist unwahrscheinlich!« versetzte Lady Desdea entschieden. »Ich finde die Situation höchst merkwürdig!«
»Ich auch«, sagte Madouc. »Ich hege den Verdacht, daß sie nichts Gutes treiben.«
Der Tag verging, die Nacht verging. Früh am nächsten Morgen, als noch alles still war, hörte eine Küchenmagd beim Überqueren des Wirtschaftshofes ein dünnes Wimmern, dessen Herkunft sie nicht sogleich zu lokalisieren vermochte. Sie hielt inne, horchte eine Weile, und entschied schließlich, daß das Wimmern von den Taubenschlägen auf der Spitze des Hohen Turms kommen mußte. Sie meldete ihre Entdeckung der Dame Boudetta, der Wirtschafterin, und kurz darauf war das Rätsel gelöst. Die drei Mädchen wurden aus ihrem luftigen Gefängnis befreit. Sie froren, waren schmutzig, verängstigt und bekümmert. Hysterisch denunzierten sie Madouc und machten sie für all die Unannehmlichkeiten, die sie hatten erleiden müssen, verantwortlich. (»Sie wollte uns verhungern lassen!« »Es war kalt, und der Wind blies, und wir hörten den Geist!« »Wir hatten schreckliche Angst! Sie tat es in voller Absicht!«)
Lady Desdea und Lady Marmone lauschten ihren Klagen mit steinerner Miene, sahen sich jedoch außerstande, die Situation zu beurteilen. Der Fall war verzwickt; außerdem konnte es sehr gut sein, daß, wenn der Fall der Königin zur Kenntnis gebracht werden sollte, Madouc eigene Beschuldigungen erheben würde, zum Beispiel über tote Mäuse in ihrem Haferbrei.
Am Ende wurden Chlodys, Ydraint und Devonet barsch darauf hingewiesen, daß das Herumklettern in verlassenen Taubenschlägen ein Verhalten sei, das sich für hochwohlgeborene junge Damen nicht schickte.
Bis zu diesem Zeitpunkt war die Affaire mit den verfaulten Quitten und Madoucs daraus erfolgender Züchtigung strikt vertuscht worden. Aus irgendeiner heimliche Quelle kam die Kunde davon jetzt den sechs Fräulein zu Ohren, zu ihrem großen Vergnügen. Als sie wieder einmal bei der Nadelarbeit zusammensaßen, sprach Devonet leise: »Was für ein Anblick, was für ein Anblick, als Madouc gezüchtigt wurde!«
»Gezappelt und gebrüllt hat sie, als die Ruten auf ihren nackten Hintern klatschten!« sagte Chlodys leise, als erfülle allein die Vorstellung sie mit Ehrfurcht.
»War es wirklich so?« fragte Artwen staunend.
Devonet nickte affektiert. »In der Tat! Habt ihr nicht das schauerliche Geheul gehört?«
»Alle haben es gehört«, sagte Ydraint. »Nur wußte niemand, woher es kam.«
»Jetzt wissen es alle«, sagte Chlodys. »Es war Madouc, die da gebrüllt hat wie eine kranke Kuh!«
Elissia sagte mit schalkhafter Fröhlichkeit: »Prinzessin Madouc, Ihr seid so still! Seid Ihr mißvergnügt über unsere Unterhaltung?«
»Ganz und gar nicht. Eure Scherze belustigen mich. Irgendwann werdet ihr sie für mich wiederholen.«
»Wie das?« fragte Devonet, verdutzt und plötzlich hellhörig.
»Könnt ihr euch das nicht denken? Eines Tages werde ich einen großen König heiraten und auf einem goldenen Thron sitzen. Und dann werde ich euch sechs an meinen Hof beordern, auf daß ihr mir dieses ›schauerliche Geheul‹, das so amüsant zu sein scheint, einmal selbst vormacht.«
Die Mädchen fielen in betretenes Schweigen. Devonet war die erste, die ihre Fassung wiederfand. Sie lachte glockenhell. »Es ist nicht sicher, ja nicht einmal wahrscheinlich, daß Ihr einen König heiraten werdet – da Ihr doch keinen Stammbaum habt! Chlodys, hat Prinzessin Madouc einen Stammbaum?«
»Sie
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