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Lyonesse 3 - Madouc

Titel: Lyonesse 3 - Madouc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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hat keinerlei Stammbaum, das arme Ding.«
    Madouc fragte unschuldig: »Was ist ein Stammbaum?«
    Wieder lachte Devonet. »Etwas, das Ihr nicht habt! Vielleicht sollten wir Euch das nicht sagen, aber die Wahrheit ist nun mal die Wahrheit! Ihr habt keinen Vater! Elissia, wie heißt man ein Mädchen, das keinen Vater hat?«
    »Einen Bastard heiß man es.«
    »Stimmt genau! Traurig, traurig, aber die Prinzessin Madouc ist ein Bastard, und niemand wird sie je freien wollen!«
    Chlodys schüttelte sich übertrieben. »Bin ich froh, daß ich kein Bastard bin!«
    »Aber ihr irrt«, sagte Madouc in freundlich-ruhigem Ton. »Ich habe wohl einen Vater. Er starb, so heißt es, zusammen mit meiner Mutter.«
    Devonet sagte verächtlich: »Vielleicht ist er tot, vielleicht auch nicht. Sie warfen ihn in ein Loch, und dort ist er noch heute. Er war ein Vagabund, ein so unbedeutender Mann, daß man nicht einmal seinen Namen wissen wollte.«
    »Wie auch immer«, sagte Chlodys, »Ihr habt keinen Stammbaum, und deshalb werdet Ihr Euch niemals vermählen. Es ist eine schlimme Nachricht, aber es ist das beste, wenn Ihr die Fakten jetzt erfahrt; so könnt Ihr lernen, Euch schon zeitig mit ihnen abzufinden.«
    »Genau«, sagte Ydraint. »Wir erzählen Euch dies, weil es unsere Pflicht ist.«
    Madouc unterdrückte mit Mühe das Zittern in ihrer Stimme. »Es ist eure Pflicht, nur die Wahrheit zu sagen.«
    »Ah, aber das haben wir!« erklärte Devonet.
    »Ich glaube das nicht!« sagte Madouc. »Mein Vater war ein edler Ritter, da ich seine Tochter bin! Wie könnte es anders sein?«
    Devonet maß Madouc mit einem abschätzenden Blick, dann sagte sie: »Sehr einfach.«
     

3
    Madouc hatte keine genaue Vorstellung davon, was ein ›Stammbaum‹ sein mochte. Sie hatte das Wort ein oder zweimal gehört, aber seine genaue Bedeutung war ihr nie erklärt worden. Ein paar Tage zuvor war sie zu den Stallungen gegangen, um ihr Pony Tyfer zu striegeln; in ihrer Nähe hatten zwei Herren über ein Pferd und seinen ›feinen Stammbaum‹ diskutiert. Das Pferd, ein schwarzer Zuchthengst, war von der Natur mit einem bemerkenswert stolzen Gemächt gesegnet gewesen; aber das konnte nach Madoucs Dafürhalten wohl kaum der entscheidende Faktor sein, und schon ganz gewiß nicht, was ihre Person anbelangte. Devonet und die anderen Mädchen konnten billigerweise nicht erwarten, daß sie mit einem derartigen Gegenstand herumparadieren würde.
    Es war alles sehr verwirrend. Vielleicht hatten die Herren ja auf die Qualität des Schweifes angespielt. Wie schon die erste Theorie, und aus ziemlich dem gleichen Grund, verwarf Madouc auch diese zweite. Sie beschloß, sich nicht weiter in Spekulationen zu ergehen, sondern sich bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit zu erkundigen.
    Madouc stand auf leidlich gutem Fuß mit Prinz Cassander, dem einzigen Sohn von König Casmir und Königin Sollace und gesetzmäßigen Erben der Krone von Lyonesse. Cassander war mit den Jahren zu einem recht kecken Burschen herangewachsen. Sein Körperbau war robust. Sein Gesicht unter den dichten blonden Locken war rund, mit kleinen, ernsten Zügen und runden blauen Augen. Von seinem Vater geerbt – oder besser: gelernt – hatte Cassander eine ganze Reihe von gebieterischen Gesten und Gebärden; von Sollace hatte er die feine, blaßrosige Haut, die kleinen Hände und Füße und ein Naturell, das unbeschwerter und flexibler als das seines Vaters war.
    Madouc fand Cassander allein in der Orangerie sitzend vor, wo er konzentriert mit einem Federkiel auf einem Pergament schrieb. Madouc blieb stehen und beobachtete ihn eine Weile. Verwandte Cassander seine Energien auf das Verfassen von Gedichten? Schrieb er Lieder? Schuf er gar eine Liebesode? Cassander blickte auf und nahm seine Schwester wahr. Er legte den Federkiel beiseite und versenkte das Pergament in einer Schachtel.
    Madouc trat langsam zu ihm. Cassander schien in leutseliger Stimmung und empfing Madouc mit einer scherzreichen Begrüßung: »Heil, Heil und dreimal Heil der Rachefurie der Burg, die da kommt in Pfeile und purpurn zuckende Blitze gehüllt! Wer wird als nächster den Stachel deines schrecklichen Zorns zu spüren bekommen? Oder – sollte ich wohl besser sagen – den Aufprall deiner überreifen Quitten?«
    Madouc lächelte gezwungen und setzte sich auf die Bank neben Cassander. »Seine Majestät hat exakte Ordern erlassen; ich darf nicht mehr tun, was getan werden muß.« Madouc seufzte. »Ich habe beschlossen zu

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