Lyonesse 3 - Madouc
bedeutsam; und wenn Ihr Euch die Mühe macht, Euch Euren Euklid ins Gedächtnis zu rufen, dann werdet Ihr Euch entsinnen, daß das Ganze die Summe seiner Teile ist!«
»Wie Ihr meint. Jetzt bin ich müde und werde zu Bett gehen.«
»Noch nicht! Es ist unerläßlich, daß Ihr die Gründe für unsere Besorgnis begreift. Allenthalben kursieren Gerüchte von Eurem unbändigen Betragen und Eurer Wildheit. Jeder der Gäste wird Euch mit geradezu krankhafter Faszination beobachten, in Erwartung irgendeiner absonderlichen oder auch grotesken Äußerung.«
»Bah«, murmelte Madouc. »Sollen sie doch Augen machen, soviel sie wollen; es ist mir einerlei. Seid Ihr jetzt fertig?«
»Noch nicht!« keifte Lady Desdea. »Ich bin immer noch alles andere als zufrieden mit Eurer Haltung. Darüber hinaus werden unter den Gästen einige junge Prinzen sein. Viele von ihnen werden darauf erpicht sein, sich gut zu vermählen.«
Madouc gähnte. »Das schert mich nicht im geringsten. Ihre Intrigen interessieren mich nicht.«
»Sie sollten Euch aber interessieren, und zwar gründlich! Jeder dieser Prinzen würde sich liebend gern mit dem Königshaus von Lyonesse verbinden! Sie werden Euch mit wachem Interesse beobachten, Eure Fähigkeiten abschätzen.«
»Das ist vulgäres Benehmen«, sagte Madouc.
»Ganz und gar nicht; vielmehr ist es natürlich und richtig. Sie wollen schließlich eine gute Partie für sich machen! Gegenwärtig seid Ihr noch zu jung für derlei Erwägungen, aber die Jahre fliegen schnell dahin, und wenn die Zeit kommt, da Ihr heiratsfähig sein werdet, wollen wir, daß die Prinzen sich mit Wohlwollen an Euch erinnern. Das wird König Casmir in den Stand setzen, das bestmögliche Arrangement zu treffen.«
»Narretei und Unsinn, von vorne bis hinten!« sagte Madouc ungehalten. »Wenn König Casmir so wild aufs Verheiraten ist, dann soll er doch Devonet und Chlodys verheiraten oder Prinz Cassander oder meinethalben Euch. Aber er darf nicht erwarten, daß ich an den Zeremonien teilnehme.«
Lady Desdea schrie entsetzt: »Euer Gerede ist ein Skandal!« Sie rang nach Worten. »Mehr will ich jetzt nicht sagen; Ihr dürft Euch zurückziehen. Ich hoffe nur, daß Ihr morgen früh vernünftiger seid.«
Madouc ließ sich zu keiner Erwiderung herab und begab sich schweigend zu Bett.
Am Morgen kamen Zofen und Unterzofen in großer Zahl. Warmes Wasser wurde in einen großen hölzernen Zuber geschüttet; Madouc wurde mit weißer ägyptischer Seife eingeschäumt und hernach in klarem Wasser abgespült und mit Balsam aus Alt-Tingis parfümiert. Sodann wurde ihr Haar gebürstet, bis es glänzte, woraufhin Madouc es unauffällig noch einmal mit ihrem eigenen Kamm kämmte, so daß die kupfergoldenen Locken sich selbst auf das vorteilhafteste legten. Danach kleidete man sie in ein Gewand aus blauem Batist mit Rüschen an Schultern und Ärmeln; die Falten des Rockes waren abwechselnd blau und weiß.
Lady Desdea begutachtete Madouc kritisch von der Seite. Das Leben auf Sarris, so überlegte sie, schien Madouc gut zu bekommen; mitunter sah die kleine Range fast hübsch aus, wenngleich ihre Konturen und ihre langen Beine nach wie vor beklagenswert knabenhaft waren.
Madouc war nicht glücklich mit dem Gewand. »Es hat zu viele Falten und Rüschen.«
»Schnickschnack!« sagte Lady Desdea. »Das Gewand macht das Beste aus Eurer knabenhaften Figur; Ihr solltet dankbar sein. Es kleidet Euch recht gut.«
Madouc ignorierte die Bemerkungen, die ihr ganz und gar nicht zusagten. Sie saß schmollend da, während ihr Haar abermals gebürstet wurde, auf daß es, wie Lady Desdea es ausdrückte, ›den letzten Schliff‹ bekomme, und schließlich unter ein silbernes, mit Cabochons aus Lapislazuli besetztes Netz gerafft wurde.
Lady Desdea gab Madouc ihre letzten Instruktionen. »Ihr werdet eine Anzahl von Standespersonen kennenlernen! Denkt daran: Ihr müßt sie mit Eurem Liebreiz fesseln und Euch ihrer äußersten Wertschätzung und allerhöchsten Meinung versichern, damit all die bösen und heimlichen Gerüchte ein für allemal Lügen gestraft und als nichtig entlarvt werden!«
»Ich kann nicht das Unmögliche erreichen«, murrte Madouc. »Wenn jemand die Absicht hat, schlecht von mir zu denken, dann wird er es tun, selbst wenn ich mich ihm zu Füßen werfe und ihn um seine respektvolle Bewunderung anflehe!«
»Solch extremes Betragen wird gewiß nicht vonnöten sein«, sagte Lady Desdea bissig. »Liebenswürdigkeit und Höflichkeit reichen
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