Lyonesse 3 - Madouc
gewöhnlich.«
»Ihr beschlagt gleichsam eine Kuh mit den Hufeisen eines Pferdes! Da ich die Prinzessin bin, sind die andern es, die um meine Wertschätzung buhlen müssen – und nicht ich um die ihre. Das ist klar und für jedermann einsichtig.«
Lady Desdea weigerte sich, das Thema zu vertiefen. »Gleichviel! Lauschet aufmerksam, wenn die Notabeln Euch vorgestellt werden, und begrüßt sie artig mit Titel und Namen. Sie werden Euch darob für anmutig und freundlich erachten und sofort beginnen, die bösen Gerüchte in Zweifel zu ziehen.«
Madouc gab keine Antwort, und Lady Desdea fuhr mit ihren Instruktionen fort: »Sitzt still; zappelt nicht und kratzt Euch nicht; räkelt oder lümmelt Euch nicht auf Eurem Stuhle; hampelt nicht herum. Haltet die Knie fein beieinander; streckt die Beine nicht von Euch, spreizt sie nicht und scharrt nicht mit den Füßen. Die Ellenbogen haltet dicht am Körper, auf daß sie nicht erscheinen wie die Schwingen einer Möwe, die auf den Winden gleitet. Wenn Ihr jemanden Bekanntes im Raume erblickt, erhebet kein ungestümes Geschrei; das ist kein artiges Betragen. Wischt Euch nicht die Nase am Handrücken ab. Schneidet keine Grimassen und blast nicht die Backen auf; kichert nicht, gleich ob mit oder ohne Grund. Könnt Ihr all das behalten?«
Lady Desdea erwartete eine Antwort, aber Madouc saß bloß da und starrte geistesabwesend durch den Raum. Lady Desdea rief scharf: »Nun, Prinzessin Madouc? Wollt Ihr mir wohl Antwort geben?«
»Gewiß doch! Wann immer Ihr wünscht! Sagt, was Ihr zu sagen wünscht!«
»Ich habe bereits ausführlich gesprochen.«
»Offenbar war ich mit meinen Gedanken woanders und hörte Euch daher nicht.«
Lady Desdeas Hände zuckten. Mit schneidender Stimme sagte sie: »Kommt! Der Empfang wird in Kürze beginnen. Für einmal in Eurem Leben müßt Ihr das Betragen dartun, das man von einer königlichen Prinzessin erwartet, auf daß Ihr einen guten Eindruck erweckt.«
Madouc sagte gleichmütig: »Ich bin nicht begierig darauf, einen guten Eindruck zu machen. Am Ende kriegt noch jemand den Wunsch, mich zu freien.«
Lady Desdea beschränkte ihre Erwiderung auf ein sarkastisches Naserümpfen. »Kommt; wir werden erwartet.«
Lady Desdea ging voran, den Gang hinunter, der zur Hauptgalerie und zur Großen Halle führte; Madouc folgte ihr widerwillig mit schlurfendem, nachlässigem Schritt, den Lady Desdea auf schiere Bockigkeit zurückführte und nicht beachtete.
Eine große Schar von Gästen hatte sich bereits in der Großen Halle eingefunden, wo sie in Gruppen herumstanden, Bekannte grüßten, Neuankömmlinge musterten, sich steif vor Gegnern und Widersachen verbeugten und ihre Feinde ignorierten. Jeder trug seine prachtvollsten Gewänder, in der Hoffnung, mindestens Aufmerksamkeit zu erregen oder, besser noch, Bewunderung oder, am besten, Neid. Während die Notabeln von Platz zu Platz schweiften, fing sich der Glanz des Lichtes in den kostbaren Stoffen ihrer Kleider; der Raum floß über von Farben so leuchtend und satt, daß jeder Ton eine eigene Vitalität entfaltete: Lavendel, Purpur, Pechschwarz; Sattgelb und Senfocker; Zinnober, Scharlach, Karmesin; alle Schattierungen von Blau: Himmelblau, Schmelzblau, Meer-blau, Schwarzblau; Grün in allen erdenklichen Tönen.
Unter Verbeugungen, Nicken und Lächeln geleitete Lady Desdea Madouc zum königlichen Podest, wo ein hübscher kleiner Thron aus vergoldetem Holz und Elfenbein, dessen Sitzfläche und Rückenlehne mit rotem Filz bespannt waren, seiner Besetzung durch die Prinzessin harrte.
Lady Desdea sagte in vertraulichem Flüsterton: »Zu Eurer Kenntnis: Prinz Bittern von Pomperol wird heute zugegen sein; darüber hinaus werden Prinz Chalmes von Montferrone und Prinz Garcelin von Aquitanien sowie mehrere andere von hohem Stand ihre Aufwartung machen.«
Madouc starrte sie mit leerem Blick an. »Wie Ihr wißt, interessieren mich diese Personen nicht.«
Lady Desdea setzte ihr grimmiges gepreßtes Lächeln auf. »Nichtsdestoweniger werden sie vor Euch treten und Euch sorgfältig mustern, um Euren Liebreiz zu ermessen und Eure Attribute zu ergründen. Sie werden erfahren, ob Ihr picklig seid oder schielt; ob Ihr runzlig seid oder pockennarbig; ob Ihr von Krätze befallen seid oder blöde, mit hohen Ohren und fliehender Stirn. Wohlan denn! Faßt Euch und sitzt fein still.«
Madouc verzog das Gesicht. »Niemand sonst ist anwesend. Warum soll ich hier sitzen wie ein Vogel auf einer Stange? Das ist närrisch. Der
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