Lyonesse 3 - Madouc
längst nicht alles«, belehrte sie Lady Desdea. »Die Einzelheiten werdet Ihr morgen erfahren.«
Madouc stellte sich taub und ging den Flur hinunter zu ihren Gemächern. Dort angekommen, ging sie sogleich zu ihrem Bett und schaute hinunter auf das Kissen. Was würde sie darunter finden? Langsam, voller Angst, daß sie nichts finden würde, hob sie das Kissen hoch und gewahrte einen kleinen silbernen Kamm.
Madouc stieß einen kleinen Freudenschrei aus. Twisk mochte zwar keine vorbildliche Mutter sein, aber wenigstens war sie am Leben und nicht tot wie die Prinzessin Suldrun; und Madouc war schließlich und endlich doch nicht allein auf der Welt.
An der Wand neben ihrem Toilettentisch hing ein Spiegel aus byzantinischem Glas, den Königin Sollace aufgrund einiger Sprünge und Verzerrungen verschmäht hatte, der aber als immer noch gut genug erachtet worden war für die Prinzessin Madouc, die ihn ohnehin selten benutzte.
Vor diesen Spiegel stellte sich Madouc nun. Sie betrachtete ihr Spiegelbild, und blaue Augen schauten zurück, unter einem nachlässigen Wust kupferfarbener Locken. »Mein Haar ist kein so entsetzlicher Anblick, wie die anderen es immer gern hinstellen«, sagte sich Madouc tapfer. »Es ist vielleicht nicht zu einem ebenmäßigen Bündel gezähmt, aber das würde mir auch nicht gefallen. Mal sehen, was passiert.«
Madouc zog den Kamm durch ihr Haar. Er glitt leicht durch die Strähnen, ganz ohne sich, wie sonst, zu verhaken; ihn zu benutzen war eine Freude.
Madouc hielt inne, um ihr Spiegelbild zu begutachten. Die Veränderung war zwar nicht verblüffend, aber doch eindeutig erkennbar. Die krausen Ringel wellten sich zu weichen Locken, die sich wie von selbst um ihr Gesicht herum legten. »Das ist ohne Zweifel eine Verbesserung«, sagte sich Madouc. »Besonders, wenn es mir hilft, Spott und Kritik zu entgehen. Der heutige Tag war sehr ereignisreich!«
Am nächsten Morgen nahm Madouc ihr Frühstück aus Haferbrei und gesottenem Speck in einer sonnigen kleinen Nische neben der Küche ein, wo sie sicher sein konnte, von Devonet oder Chlodys unbehelligt zu bleiben.
Madouc entschied sich, einen Pfirsich zu essen, dann verzehrte sie gemächlich ein Büschel Weintrauben. Sie war nicht überrascht, als Lady Desdea den Kopf durch die Tür steckte. »Hier versteckt Ihr Euch also.«
»Ich verstecke mich nicht«, entgegnete Madouc kühl. »Ich esse mein Frühstück.«
»Das sehe ich. Seid Ihr fertig?«
»Noch nicht ganz. Ich esse noch Trauben.«
»Wenn Ihr Euch endlich sattgegessen habt, kommt bitte in das Morgenzimmer. Ich werde Euch dort erwarten.«
Madouc erhob sich resigniert. »Ich komme gleich mit.«
Im Morgenzimmer wies Lady Desdea auf einen Stuhl. »Ihr könnt Euch setzen.«
Lady Desdeas Ton mißfiel Madouc. Sie warf ihr einen mürrischen Blick zu, dann flegelte sie sich auf den Stuhl, streckte die Beine von sich und legte das Kinn auf die Brust.
Nach einem mißbilligenden Blick sagte Lady Desdea: »Ihre Hoheit, die Königin, findet, daß Euer Benehmen unbefriedigend ist. Ich kann ihr nur beipflichten.«
Madouc verzog den Mund zu einer schiefen Linie, sagte aber nichts.
Lady Desdea fuhr fort. »Die Situation ist weder zwanglos noch unerheblich. Von all Euren Attributen und Besitztümern ist das kostbarste Euer Ruf. Ah!« Lady Desdea schob das Gesicht vor. »Ihr blast die Wangen auf; Ihr seid im Zweifel. Indes, ich habe recht!«
»Ja, Lady Desdea.«
»Als Prinzessin von Lyonesse seid Ihr eine wichtige Persönlichkeit! Euer Ruf – im Guten wie im Schlechten – spricht sich rasch allenthalben herum, als reise er auf den Schwingen eines Vogels! Aus diesem Grunde müßt Ihr allzeit freundlich, graziös und nett sein; Ihr müßt Euren Ruf hegen, als wäre er ein Garten voller duftender Blumen!«
Madouc sagte besinnlich: »Ihr könnt dazu beitragen, indem Ihr überall gut von mir sprecht.«
»Erst müßt Ihr Euer Betragen bessern, da mir nicht der Sinn danach steht, mich zum Gespött zu machen.«
»In dem Fall solltet Ihr wohl besser schweigen.«
Lady Desdea ging zwei Schritte in eine Richtung, dann zwei Schritte in eine andere. Sie blieb stehen und schaute Madouc erneut an. »Möchtet Ihr bekannt sein als liebliche junge Prinzessin, die hoch angesehen ist für ihre Schicklichkeit, oder als haltlose Göre mit stets schmutzigem Antlitz und verschrammten Knien?«
Madouc überlegte. »Gibt es keine anderen Möglichkeiten?«
»Diese sollen im Moment genügen.«
Madouc stieß einen tiefen
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