Lyonesse 3 - Madouc
Stuhl scheint mir unbequem. Warum hat man mir kein hübsches Kissen gegeben? König Casmir und Königin Sollace sitzen auf vier Zoll dicken Kissen. Auf meinem Sitz ist nur ein Stück roten Tuchs.«
»Egal! Ihr sollt schließlich Euer Hinterteil darauf pressen und nicht Eure Augen! Setzt Euch nun bitte!«
»Das ist der unbequemste Thron auf der Welt!«
»Das mag ja sein. Zappelt dennoch nicht so darauf herum, als wolltet Ihr sogleich schon auf den Abtritt.«
»Dorthin will und muß ich in der Tat.«
»Warum habt Ihr daran nicht vorher gedacht? Jetzt ist keine Zeit mehr dafür. Der König und die Königin halten bereits Einzug in den Saal!«
»Ihr könnt sicher sein, daß beide sich nach Herzenslust erleichtert haben«, sagte Madouc. »Ich will das gleiche. Ist das nicht mein gutes Vorrecht als königliche Prinzessin?«
»Wohl schon. Je nun, dann sputet Euch.«
Madouc begab sich gemächlich zum Abtritt und erledigte ohne Hast ihre Geschäfte. Unterdessen schritten der König und die Königin langsam durch den Saal, immer wieder innehaltend, um das eine oder andere Wort mit besonders hoch in ihrer Gunst stehenden Persönlichkeiten zu wechseln.
Zu gehöriger Zeit kehrte Madouc zurück. Mit einem undurchsichtigen Blick Richtung Lady Desdea setzte sie sich auf den Thron aus vergoldetem Holz und Elfenbein, und nach einem gequälten Blick zur Decke richtete sie sich darauf so gut es ging ein.
Der König und die Königin nahmen ihre Plätze ein. Prinz Cassander betrat den Saal von der Seite. Er trug eine feine Jacke aus Sämischleder, mit Gold bestickte Reithosen aus schwarzem Köper und ein weißes Batisthemd. Er marschierte mit flottem Schritt durch den Saal, erwiderte die Grüße von Freunden und Bekannten mit gefälligen Gesten und nahm seinen Platz zur Linken von König Casmir ein.
Sir Mungo von Hatch, der Oberste Majordomus, trat vor. Zwei Herolde bliesen eine Fanfare, das ›Apparens Regis‹, auf ihren Zinken, und der Saal wurde still.
In sonorem Ton sprach Sir Mungo zu der versammelten Gästeschar: »Ich spreche mit der Stimme der königlichen Familie! Wir heißen euch auf Sarris willkommen! Wir freuen uns, daß ihr dieses höchst freudige Ereignis mit uns teilt – nämlich: den achtzehnten Geburtstag unseres geliebten Prinzen Cassander!«
Madouc zog einen Flunsch und ließ das Kinn sinken, so daß es auf dem Schlüsselbein zu ruhen kam. Einer jähen Eingebung folgend, schielte sie zur Seite und gewahrte den schlangenartig starrenden Blick von Lady Desdea. Madouc seufzte und zuckte verzweiflungsvoll die Achseln. Mit größter Anstrengung straffte sie sich auf ihrem Stuhl und setzte sich gerade.
Sir Mungo beschloß seine Ansprache; die Herolde bliesen erneut eine kurze Fanfare, und der Empfang nahm seinen Beginn. Während die Gäste der Reihe nach vortraten, rief Sir Mungo ihren Namen und ihren Adelsrang aus; die solchermaßen ausgewiesenen Personen empfahlen sich erst Prinz Cassander, dann König Casmir, dann Königin Sollace, und schließlich, in mehr oder weniger beiläufigem Stil, Prinzessin Madouc, die die Respektsbezeigungen mit stumpfem Desinteresse entgegennahm, sehr zum Unmut von Königin Sollace und Lady Desdea.
Der Empfang zog sich nach Madoucs Empfinden eine Ewigkeit hin. Sir Mungos eintönige Leier wollte und wollte nicht enden; die Herren und ihre Damen, die an ihr vorüberdefilierten, schienen einander immer ähnlicher zu sehen. Schließlich begann Madouc zum Zeitvertreib jeden einzelnen Defilanten mit einem Tier oder einem Vogel zu vergleichen, so daß dieser Herr Sir Ochse war und jener Sir Wiesel, während hier Lady Papageientaucher kam und dort Lady Kohlmeise. Auf eine plötzliche Eingebung hin wandte Madouc den Blick nach rechts, wo Lady Saatkrähe sie mit drohendem Blick musterte, dann nach links, wo Königin Milchkuh saß.
Das Spiel verlor seinen Reiz. Madoucs Hinterteil begann zu schmerzen; sie räkelte sich erst zur einen Seite, dann zu anderen, dann ließ sie sich nach vorn rutschen und lümmelte sich in die Tiefen ihres Thrones. Durch Zufall bemerkte sie Lady Desdeas dräuendes Starren und beobachtete das wütende Mienenspiel einen Moment lang mit mildem Staunen. Schließlich wand sie sich mit einem gequälten Seufzen wieder in eine aufrechte Sitzhaltung hoch.
In Ermangelung einer unterhaltsameren Beschäftigung ließ Madouc nun mit mäßiger Neugier ihren Blick durch den Saal schweifen, um zu ermitteln, wer von den anwesenden Herren wohl Prinz Bittern von Pomperol sein
Weitere Kostenlose Bücher