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Lyonesse 3 - Madouc

Titel: Lyonesse 3 - Madouc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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eine Flocke grauen Flaums, die der kühle Abendwind davontrug.
    Shimrod ging zurück in die Schankstube. Ein junger Mann, gekleidet nach der Mode, die zur Zeit in Aquitanien im Schwange war, hatte sich mit seiner Laute auf einen hohen Schemel gehockt. Zu klagenden Akkorden und untermalt von melodischen Läufen, sang er Balladen, welche die Taten liebeskranker Rittersmänner und schmachtender Jungfern feierten. Von Torqual war nichts zu sehen; er hatte die Schankstube verlassen.
    Shimrod rief Fonsel, der sofort gesprungen kam. »Ihr wünscht, Herr?«
    »Der Mann namens Torqual: logiert er hier im ›Sonnenuntergang‹?«
    »Nein, Euer Ehren! Er ist gerade erst zur Seitentür hinausgegangen. Darf ich Eurer Lordschaft noch einen Pokal Wein bringen?«
    Shimrod machte eine würdevolle Geste der Bejahung. »Ich brauche wohl nicht eigens zu erwähnen, daß ich nicht nach Wasser dürste.«
    »Das, Herr, versteht sich von selbst!«
    Shimrod saß noch eine Stunde beim Wein und lauschte den traurigen Balladen aus Aquitanien. Schließlich befiel ihn Ruhelosigkeit, und er ging hinaus in die Nacht, wo der Mond inzwischen hoch am Himmel stand. Der Platz war verwaist; die steinernen Fliesen leuchteten so weiß wie zuvor. Shimrod spazierte zum Hafen und schlenderte die Esplanade entlang bis zu der Stelle, wo sie sich mit der Uferstraße vereinte. Hier blieb er stehen und schaute über den Strand. Nach ein paar Minuten wandte er sich zum Gehen. Es war unwahrscheinlich, daß Melancthe ihn um diese Stunde freundlich empfangen würde.
    Shimrod ging zurück zum Gasthof. Der aquitanische Bänkelsänger war gegangen, und mit ihm die meisten Gäste. Torqual war nirgends zu sehen. Shimrod stieg hinauf zu seiner Kammer und begab sich zur Nachtruhe.
     

4
    Am Morgen frühstückte Shimrod vor dem Gasthof, wo er den Platz überschauen konnte. Er verzehrte eine Birne, eine Schüssel Haferbrei mit Sahne, mehrere Scheiben gebratenen Specks, eine Schnitte dunklen Brotes mit Käse und Essigpflaumen. Die Wärme des Sonnenlichts bot angenehmen Kontrast zu der kühlen Brise, die vom Meer hereinwehte; Shimrod frühstückte ohne Hast, wachsam und doch gelassen. Heute war Markttag; ein Wirrwarr aus Bewegung, Geräuschen und Farbe belebte den Platz. Allenthalben hatten Händler Tische und Buden aufgestellt, von denen aus sie die Qualität ihrer Waren lautstark anpriesen. Fischhändler hielten ihre besten Fische empor und schlugen auf eiserne Triangeln, auf daß alle herschauten. Zwischen den Buden und Ständen drängten sich die Kunden, größtenteils Hausfrauen und Dienstmägde. Da wurde gefeilscht, verglichen, geschachert, gewogen, geprüft, gepriesen und geschimpft, daß es nur so eine Art hatte.
    Doch auch anderes Volk war auf dem Platz zu sehen: ein Quartett melancholischer Priester vom Tempel der Atlante; Seeleute und Handelsmänner aus fernen Ländern; hier und da ein Yssei-Faktor auf dem Wege zum Hafen, um dortselbst eine Schiffsladung zu inspizieren; ein Baron und seine Dame, die von ihrer grimmigen Bergfeste heruntergestiegen waren, um sich mit Waren einzudecken; Hirten und Kleinbauern aus den Mooren und Bergschluchten des Teach tac Teach.
    Shimrod beendete sein Frühstück, blieb aber am Tisch sitzen und überlegte, wie er mit seinen Nachforschungen am besten weitermachen sollte.
    Wie er so dasaß und sann, fiel ihm eine dunkelhaarige junge Frau ins Auge, die über den Platz marschierte. Ihr orangebrauner Rock und ihre rosafarbene Bluse leuchteten im Sonnenlicht. Shimrod erkannte in ihr Melancthes Hausmädchen. Sie trug zwei leere Körbe bei sich und war offensichtlich auf dem Weg zum Markt.
    Shimrod sprang auf und folgte der jungen Frau über den Platz. Am Stand eines Obsthändlers blieb sie stehen und begann, Orangen aus der Auslage auszuwählen. Shimrod sah ihr einen Moment zu, dann trat er zu ihr und berührte ihren Ellenbogen. Sie fuhr herum und schaute ihn verblüfft an; vermummt, wie Shimrod war, vermochte sie ihn nicht wiederzuerkennen.
    »Komm einen Moment mit mir beiseite«, sagte Shimrod. »Ich möchte mit dir sprechen.«
    Die Magd zauderte und wich ängstlich zurück. Shimrod sagte: »Mein Anliegen steht in Zusammenhang mit deiner Herrin. Dir wird kein Leid geschehen.«
    Verwirrt und widerstrebend folgte das Mädchen Shimrod ein paar Schritte hinaus auf den Platz. »Was wollt Ihr von mir?«
    Shimrod sprach in einem Ton, von dem er hoffte, daß er beruhigend klänge: »Ich erinnere mich nicht an deinen Namen – das heißt, so ich ihn

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