Lyonesse 3 - Madouc
überhaupt je wußte.«
»Ich bin Lillas. Warum solltet Ihr mich kennen? Ich kann mich Eurer nicht entsinnen.«
»Vor einiger Zeit suchte ich deine Herrin auf. Du warst es, die mir die Tür öffnete. Du erinnerst dich doch, nicht wahr?«
Lillas sah Shimrod forschend an. »Ihr kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich vermag nicht zu sagen, woher. Die Begegnung muß sehr lange Zeit zurückliegen.«
»Das tut sie in der Tat; aber seid Ihr immer noch im Dienste Melancthens?«
»Ja. Ich habe nichts an ihr auszusetzen – zumindest nichts, was mich dazu treiben würde, sie zu verlassen.«
»Sie ist also eine umgängliche Herrin?«
Lillas lächelte traurig. »Sie nimmt kaum wahr, ob ich hier bin oder dort, ob ich im Hause bin oder fort. Trotzdem würde sie nicht wollen, daß ich hier herumstehe und über ihre Angelegenheiten klatsche.«
Shimrod zog einen Silbertaler aus der Tasche. »Was du mir sagst, wird unter uns bleiben und kann gewiß nicht als Klatsch betrachtet werden.«
Lillas akzeptierte die Münze unsicher. »Ihr müßt wissen, ich bin besorgt um Lady Melancthe. Ich verstehe ihr Verhalten ganz und gar nicht. Oft sitzt sie stundenlang da und schaut aufs Meer. Ich gehe meiner Arbeit nach, und sie beachtet mich nicht, als ob ich unsichtbar wäre.«
»Empfängt sie oft Besucher?«
»Selten. Erst heute morgen jedoch ...« Lillas stockte und spähte über ihre Schulter.
Shimrod gab ihr einen Anstoß. »Wer hat sie heute morgen besucht?«
»Er kam sehr früh – ein großer blasser Mann mit einer Narbe im Gesicht; ein Ska wohl, würde ich vermuten. Er klopfte an die Tür; ich machte ihm auf.
Er sagte: ›Sag deiner Herrin, daß Torqual hier ist.‹
Ich wich zurück, und er trat in die Halle. Ich ging zu Lady Melancthe und überbrachte ihr die Botschaft.«
»War sie überrascht?«
»Ich glaube, sie war bestürzt und nicht sehr erfreut, aber offenbar auch nicht allzu erstaunt. Sie zögerte nur einen kurzen Moment, dann ging sie in die Halle. Ich folgte ihr, blieb aber hinter dem Vorhang stehen und beobachtete sie durch einen Spalt in demselben. Die beiden schauten sich einen Moment lang an, dann sagte Torqual: ›Man sagte mir, ich müsse Euren Befehlen gehorchen. Was wißt Ihr von dieser Abmachung?‹
Die Lady Melancthe sagte: ›Ich weiß von nichts.‹
Torqual fragte: ›Habt Ihr mich nicht erwartet?‹
›Es kam ein Fingerzeig – aber nichts ist klar, und ich muß nachdenken‹, sagte die Lady Melancthe. ›Geht jetzt! So ich Befehle für Euch finde, werde ich es Euch wissen lassen.‹
Hierüber schien Torqual belustigt. ›Und wie wollt Ihr das machen?‹ fragte er.
›Vermittels eines Zeichens. Falls ich diesbezüglich eine Eingebung bekomme, wird eine schwarze Urne an der Wand neben dem Tor erscheinen. Solltet Ihr die schwarze Urne sehen, könnt Ihr wiederkommen.‹
Nun lächelte der Mann Torqual und verneigte sich, so daß er beinahe fürstlich erschien. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und verließ die Villa. Nun wißt Ihr, was heute morgen geschah. Ich bin froh, es Euch erzählt zu haben, da Torqual mich in Schrecken versetzt. Bestimmt kann er der Lady Melancthe nur Unheil bringen.«
»Deine Befürchtungen sind wohlbegründet«, sagte Shimrod. »Gleichwohl kann es sein, daß sie es vorzieht, sich nicht mit Torqual einzulassen.«
»Das mag wohl sein.«
»Ist sie jetzt daheim?«
»Ja; sie sitzt wie üblich da und schaut hinaus aufs Meer.«
»Ich werde sie aufsuchen. Vielleicht kann ich die Dinge in Ordnung bringen.«
Lillas sagte mit ängstlicher Stimme: »Ihr werdet doch nicht verraten, daß wir über ihre Angelegenheiten geredet haben?«
»Ganz gewiß nicht.«
Lillas ging zum Stand des Obsthändlers zurück; Shimrod überquerte den Platz zum Hafenweg. Sein Verdacht hatte sich bestätigt. Melancthes Verwicklung in die Affäre mochte zwar bisher vielleicht nur passiver Natur sein und dies vielleicht auch bleiben; aber Melancthes einziger verläßlicher Charakterzug war ihre Unberechenbarkeit.
Shimrod schaute nach Norden zu der weißen Villa. Er konnte keinen Grund finden, warum er den Besuch hinausschieben sollte, außer seinem eigenen Widerstreben, Melancthe entgegenzutreten. Er gab sich einen Ruck und ging mit langen, zielstrebigen Schritten den Strandweg entlang nach Norden. Zu gehöriger Zeit erreichte er die weiße Steinmauer. Eine schwarze Urne, so vergewisserte er sich mit einem raschen Blick, war nirgends zu sehen.
Shimrod durchquerte den Garten. An der Tür
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