Lyonesse 3 - Madouc
hochgewachsenen Ska, der dort drüben sitzt.«
»Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen«, antwortete Fonsel. »Ich habe ihn nie zuvor gesehen. Jedoch habe ich gehört, wie jemand in der Ecke des Raums in sehr gedämpftem Ton den Namen ›Torqual‹ genannt hat. Wenn dies tatsächlich der allenthalben gefürchtete, übelbeleumundete Torqual ist, dann ist er fürwahr sehr kühn, sich hier zu zeigen, wo König Aillas ihn liebend gern erhaschen und aufknüpfen würde.«
Shimrod gab dem Burschen einen Kupferpfennig. »Deine Bemerkungen sind interessant. Bring mir nun einen Kelch guten weißen Weins.«
Vermittels eines magischen Kunstgriffs verstärkte Shimrod die Schärfe seines Gehörs so, daß er das Geflüster eines jungen Liebespaares, das in einer hinteren Ecke des Raumes saß, klar und deutlich vernehmen konnte – ebenso wie die Anweisungen, die der Wirt Fonsel bezüglich der Streckung von Shimrods Wein erteilte. Die Unterhaltung zwischen Zagzig und Torqual freilich war mittels einer Magie, die ebenso scharf war wie seine eigene, gedämpft worden, und er konnte nichts von ihrem Inhalt aufschnappen.
Fonsel servierte ihm mit schwungvoller Verbeugung den bestellten Pokal. »Bitte sehr, der Herr! Unser edelster Tropfen!«
»Das freut mich zu hören«, sagte Shimrod. »Ich bin der amtliche Wirtshausinspizient und im Auftrage von König Aillas hier. Trotzdem wird mir – möchte man's glauben? – oft minderwertiges Zeug vorgesetzt! Vor drei Tagen, in Mynault war's, überführte ich einen Gastwirt und seinen Bierkellner der Verwässerung meines Weines, eine Tat, die König Aillas per Dekret als ein Vergehen wider die Menschheit erklärt hat.«
»Wahrhaftig, Herr?« stammelte Fonsel. »Was geschah mit den beiden?«
»Die Konstabler schleppten sowohl den Gastwirt als auch den Bierkellner auf den Marktplatz und banden sie an den Schandpfahl, wo sie gehörig durchgewalkt wurden. Sie werden ihr Vergehen nicht so bald wiederholen.«
Fonsel raffte hastig den Pokal vom Tisch. »Ich sehe plötzlich, daß ich Euch versehentlich Wein aus der falschen Flasche eingeschenkt habe! Einen Moment, Herr, ich werde das unverzüglich in Ordnung bringen.«
Fonsel brachte wacker einen neuen Kelch, und einen Augenblick später erschien der Wirt selbst an Shimrods Tisch und wischte sich nervös die Hände an seiner Schürze ab. »Ich hoffe doch, daß alles in bester Ordnung ist, Herr?«
»Im Augenblick ja.«
»Gut! Fonsel ist mitunter ein wenig nachlässig und bringt unseren guten Namen in Mißkredit. Ich werde ihn heute abend für seinen Fehler prügeln.«
Shimrod ließ ein grimmiges Lachen hören. »Herr, laßt den armen Fonsel zufrieden. Er hat seinen Fehler eingesehen und verdient Nachsicht.«
Der Wirt verneigte sich. »Ich werde Euren Ratschlag sorgfältig bedenken, Herr.« Er eilte zurück hinter seine Theke, und Shimrod wandte sich wieder der Beobachtung von Zagzig, dem Shybalt, und Torqual, dem Ska, zu.
Die Unterredung kam zum Ende. Zagzig warf einen Beutel auf den Tisch. Torqual löste die Schnur und spähte hinein, um den Inhalt zu ermessen. Er hob den Blick und bedachte Zagzig mit einem steinernen Blick des Mißvergnügens. Zagzig begegnete dem Blick mit Gleichgültigkeit, dann erhob er sich und schickte sich an, den Gasthof zu verlassen.
Shimrod war bereits vorausgegangen und wartete im Vorhof. Der Vollmond war inzwischen aufgegangen und erleuchtete den Platz; die Granitfliesen leuchteten fast so weiß wie Knochen. Shimrod duckte sich in den Schatten des Schierlings, der neben dem Gasthaus wuchs.
Zagzigs Schattenriß erschien im Türrahmen; Shimrod hielt den Reif aus Suheil-Draht bereit, den er von Murgen bekommen hatte.
Zagzig ging an ihm vorbei; Shimrod trat aus dem Schatten hervor und versuchte, den Reif über Zagzigs Kopf zu werfen. Der hohe schwarze Hut war im Wege, und der Wurf mißlang. Zagzig sprang zur Seite; der Suheil-Draht ratschte über sein Gesicht und entlockte ihm einen leisen Schrei des Entsetzens. Er wirbelte herum. »Schuft!« zischte Zagzig. »Glaubst du, du könntest mich so erhaschen? Deine Zeit ist gekommen!« Er riß den Mund weit auf, um einen Gifthauch auszustoßen. Shimrod stieß das Schwert Tace geradewegs in die schwarze Öffnung; Zagzig gab ein gurgelndes Stöhnen von sich und sank auf das mondbeschienene Pflaster, wo er zu einem Häufchen aus grünen Funken und Blitzen schrumpelte, von dem sich Shimrod peinlich fernhielt. Einen Moment später war von Zagzig nichts übriggeblieben als
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