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Lyonesse 3 - Madouc

Titel: Lyonesse 3 - Madouc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Umphred kehrte die Handflächen nach außen. »Wer weiß? Die Hoffnung kann durchaus begründet sein! Niemand hat bisher das Gegenteil bewiesen.«
    »Hmf.«
    »Eines ist klar! Jeder Pilger, der die Stadt Lyonesse besucht, wird, wenn er scheidet, reicher an Geist sein, wenn auch ärmer an weltlichen Gütern.«
    Casmir taxierte das unvollendete Gotteshaus mit gänzlich neuen Augen. »Auf welche Weise hofft Ihr, hochmögende und freigebige Pilgersleute anzulokken?«
    »Manche werden kommen, um zu beten und am Gottesdienst teilzunehmen. Andere werden in der kühlen Stille des Mittelschiffs verweilen, um sich von der heiligen Aura durchdringen zu lassen. Wieder andere werden kommen, unsere Reliquien zu bestaunen und den frommen Schauer ihrer Gegenwart zu fühlen. Diese Reliquien sind von außerordentlicher Bedeutung und locken Pilger von fern und nah mit großer Wirkungskraft an.«
    »›Reliquien‹? Was sind das für Reliquien, von denen Ihr faselt? Meines Wissens nach haben wir keine.«
    »Das ist ein interessantes Thema«, sagte Vater Umphred. »Es gibt viele Arten von Reliquien, und man kann sie in verschiedene Kategorien einteilen. Die ersten und köstlichsten sind jene, die direkt dem Herrn Jesus Christus zuzuordnen sind. Die zweite – und sehr hervorragende – Klasse bilden solche Gegenstände, die dem einen oder andern der Heiligen Apostel beizuordnen sind. Auf dem dritten Platz rangieren die oft sehr kostbaren und äußerst raren Reliquien aus dem Altertum: zum Beispiel der Stein, welchen David wider Goliath schleuderte, oder eine von Schadrachs Sandalen, am besten eine solche mit Brandmalen an der Sohle. Auf dem vierten Rang – und immer noch sehr fein – finden wir Gegenstände, welche mit dem einen oder andern der Heiligen in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus gibt es noch solche Objekte, die ich einmal als Nebenreliquien bezeichnen möchte; diese sind eher wegen ihrer Zuordnung denn aufgrund ihrer heiligen Essenz von Interesse, beispielsweise eine Klaue des Bären, welcher den heiligen Candolph vertilgte, oder eine Spange vom Arm der Hure, die Jesus vor dem Tempel verteidigte, oder ein gedörrtes Ohr von einem der gadarenischen Schweine. Leider sind viele der besten und wunderbarsten Stücke verschwunden oder wurden niemals eingesammelt. Andererseits tauchen immer wieder Artikel von garantierter Qualität auf und werden sogar zum Verkauf angeboten. Man muß natürlich scharf auf der Hut sein, wenn man solche Käufe tätigt.«
    König Casmir zupfte an seinem Bart. »Wie könnt Ihr wissen, daß eine solche Reliquie echt ist?«
    Vater Umphred schürzte die Lippen. »Würde ein unechter oder nachgemachter Gegenstand an einer geheiligten Stätte deponiert, führe sofort ein göttlicher Blitz hernieder, den künstlichen Artikel mitsamt dem Schwindler, der ihn gebracht, zu zerschmettern, so wurde mir berichtet. Darüber hinaus würde der ruchlose Ketzer bis in alle Ewigkeit im tiefsten Schlund der Hölle schmoren! Das ist wohlbekannt und bietet uns Garantie und Sicherheit!«
    »Hmmf. Fährt dieser göttliche Blitz oft hernieder?«
    »Ich habe keine Kenntnis bezüglich der Anzahl solcher Fälle.«
    »Und wie gedenkt Ihr Eure Reliquien ausfindig zu machen?«
    »Auf verschiedenen Wegen. Einige werden als Geschenk kommen; andere gedenken wir mit Hilfe von noch auszusendenden Agenten aufzustöbern. Die begehrteste von allen Reliquien ist der Heilige Gral, welchen der Erlöser bei seinem Letzten Abendmahl benützte und der außerdem von Joseph von Arimathea dazu verwendet wurde, das Blut aus den göttlichen Wunden aufzufangen. Später gelangte er zur Abtei von Glastonbury in Britannien; von dort aus wurde er auf eine geweihte Insel im Lough Corrib in Irland geschafft. Von dort wiederum wurde er auf dieÄlteren Inseln gebracht, um ihn vor den Heiden zu bewahren, aber sein gegenwärtiger Aufenthaltsort liegt im dunkeln.«
    »Das ist eine interessante Mär«, sagte König Casmir. »Ihr wärt gut beraten, diesen ›Gral‹ aufzufinden und ihn auszustellen.«
    »Wir können nur hoffen und träumen! Wenn der Gral in unseren Besitz gelangte, wären wir mit einem Schlag die stolzeste Kirche der Christenheit!«
    Als Königin Sollace dies vernahm, entfuhr ihr ein leiser Aufschrei der Verzückung. Sie wandte ihre großen feuchten Augen auf König Casmir. »Mein Herr, seht Ihr nicht? Wir müssen die besten und köstlichsten Reliquien haben; nichts anderes wird genügen!«
    König Casmir zuckte kühl die Achseln.

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