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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Melodie gewesen, die ihn mit sich gerissen hatte. Die Worte {»Hope dies easy, worlds will part, when angels eat their heaven 's heart«) waren nur die Pfeilspitzen gewesen, aber die Kraft, die jene Pfeile zu blitzenden Geschossen gemacht hatte, die wahrhaftig Herzen zu durchbohren wussten, diese Kraft, das spürte Danny, war in der Musik geboren worden. Sie war grenzenlos und wild gewesen, unbändig und tosend, entflammt von dem, was verborgen im Innersten eines jungen Mannes brannte, der noch nicht wusste, dass er gerade gesehen hatte, welchen Weg zu nehmen ihm im Leben bestimmt war.
    Von dem Moment an - und eingedenk der Tatsache, dass Johnny Cash die erste Stimme gewesen war, die er wahrhaftig vernommen hatte - hatte Danny Musiker werden wollen.
    Er war elf Jahre alt gewesen. Und er hatte nur eine ungefähre Ahnung von dem gehabt, was er beginnen sollte.
    Der erste Schritt war damals der schwierigste. Er bat seine Eltern, ein Instrument erlernen zu dürfen.
    Noch immer konnte er diesen Tag riechen, jenen Nachmittag im Herbst, als die Blätter um Ravenscraig wehten und die Brandung an den Klippen von Blackhead toste.
    Seine Eltern saßen im Salon, tranken Earl Grey und starrten ihn an, als habe er etwas durch und durch Unanständiges von ihnen verlangt.
    »Du kannst Schach spielen.« Archibald Darcy war keine große Hilfe, gewiss nicht.
    Helen Darcy schlug Violine vor.
    »Nein«, sagte Danny sofort. Und nach einer kurzen Pause, in der sich seine Eltern wissende Blicke zuwarfen, fügte er hinzu: »Warum denn ausgerechnet Violine? Ich mag Johnny Cash.«
    »Die Violine ist ein klassisches Instrument. Johnny Cash macht Krach.«
    »Ich mag den Krach.« Und überhaupt: Dies waren die 90er. In der Regel war der Krach da elektronisch.
    Helen Darcy verdrehte die Augen. »Ich will aber nicht, dass du dieses Zeug spielst.«
    »Ist es denn nicht die Musik, die eure Generation mag?«
    »Du musst nicht frech werden«, schalt ihn sein Vater.
    Helen Darcy indes schwieg. Sie nippte an ihrem Tee und sagte dann: »Ich mag Johnny Cash eben nicht.«
    Archibald Darcy sagte natürlich nichts, wie so oft, wenn er besser den Mund aufgemacht hätte. Immerhin hatte ihm das Johnny-Cash-Album gehört, das Colin während der Geburt seines Bruders aufgelegt hatte. Manchmal kam es Danny so vor, als schwcbten die schrammenden Klänge von einst noch immer durch die Mauern von Ravcnscraig.
    »Ich mag Tyler Blake.« Danny blieb hartnäckig.
    »Der kann nicht singen.«
    »Man muss nicht singen können, um ein guter Musiker zu sein.«
    Helen Darcy schüttelte den Kopf. »Man muss singen können, um ein Sänger zu sein.«
    »Ich will Songwriter werden.«
    »Du bist elf. Du weißt noch gar nicht, was du werden willst.«
    »Ich bin fast zwölf. Und ich will Gitarre spielen lernen.«
    Die Antwort kam schnell aus zwei Mündern und wie ein Schlag ins Gesicht: »Nein!«
    »Aber warum nicht?« Er schluckte seine Enttäuschung hinunter und ließ nur die Wut an die Oberfläche.
    »Eine Gitarre ist ein Instrument, das man überhaupt nicht kontrollieren kann«, antwortete Helen Darcy.
    Was sollte das denn nun bedeuten? »Aber...«
    »Wenn du dich unbedingt musikalisch weiterbilden möchtest«, betonte Helen Darcy, »dann bekommst du eine Orgel.«
    Danny starrte sie an.
    Musikalisch weiterbilden ?
    Meinte sie das ernst?
    »Eine elektronische Orgel.« Ja, seine Mutter meinte es ernst.
    »Du musst ohnehin erst lernen, wie man Noten liest.«
    »Ich will Songs schreiben«, sagte Danny.
    »Erst die Theorie.«
    »Eine klassische Ausbildung ist niemals falsch.«
    Danny sah seinen Vater an, dann seine Mutter. Er kannte diesen Ausdruck in ihren Gesichtern. Also gab er sich geschlagen. Eine andere Möglichkeit gab es nicht für ihn. Er war immerhin erst elf. Und besser eine elektronische Orgel als eine Violine. Oder gar kein Instrument.
    Er seufzte.
    Außerdem konnte Tyler Blake die Wurlitzer spielen, als sei der Teufel gerade erst aus der lodernden Hölle entkommen. Eine elektronische Orgel war also nicht das Schlechteste und durchaus kompatibel mit Folk.
    »Ist das in Ordnung für dich?«, hakte sein Vater nach, falsches Verständnis in der Stimme.
    Danny sagte: »Ja.«
    Was er dachte, ließ er sich nicht anmerken.
    »Kann es wenigstens eine Wurlitzer sein?«, fragte er.
    Seine Eltern lächelten salbungsvoll, sagten unisono: »Lass dich doch einfach überraschen.«
    Er nickte nur.
    Dann ging er in sein Zimmer und legte eine Platte von Neil Young auf. Das half

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