Lyra: Roman
hatten. An das Kinderzimmer, das sie neben dem Schlafzimmer im zweiten Stock des Leuchtturms hatten einrichten wollen. Durch das Fenster wäre das Rauschen der Brandung in den Raum geschwebt, wäre den Träumen ihres Kindes eine sanfte Begleitung gewesen.
Doch dann, auf einmal, war alles anders gewesen, Wie in den Liedern, die alle gleich klangen.
Do you know where we 're headin '?
Lincoln County RoadorArmageddon?
Dann sah er sie.
War augenblicklich hellwach.
»Danny!« Sie kam durch die Halle gehetzt, wie immer zu spät. Sie trug Jeans und ein kariertes Hemd, die blonden Haare waren mit einem bunten Tuch nach hinten gebunden. Sie trug hohe Stiefel. Wenn sie sich reckte, dann gab das Hemd ein kleines Stück ihres Bauches frei. Er war noch nicht richtig rund, aber man konnte ahnen, dass er es bald sein würde. Danny verspürte sofort das Verlangen, ihren Nabel zu küssen, doch er wusste, dass die Zeit, da er dies getan hatte, nicht die Zeit war, in der sie beide gerade gefangen waren.
Trotzdem.
Danny musste schmunzeln, als er die Frau sah, die er geheiratet hatte, die ihn geheiratet hatte. Er musste es tun, weil die Frau, die auf ihn zukam, durch und durch Sunny war. Weil sie wieder zu spät war; weil sie vermutlich schon wieder den Schlüssel verlegt hatte, was sie meistens tat; weil sie nun mal so war, wie er sie immer geliebt hatte - manchmal laut und immer chaotisch und so hemmungslos sie selbst, dass er es nicht fassen konnte, an diesem Punkt hier zu stehen und sie nicht umarmen zu können, wie er es gern getan hätte. Es verwirrte ihn, als läge ein Flimmern in der Luft, das ihm den Blick unscharf machte und ihn schwindeln ließ.
Er lief ihr entgegen, blieb abrupt stehen, als er sie erreichte.
Sunny blieb ebenfalls stehen.
»Hi«, sagte sie, die Augen unruhig, aber blau wie das Meer.
»Hey«, sagte Danny.
Verlegen standen sie da.
Die Menschen strömten um sie herum wie Wasser um einen Fels in der Mitte des Flusses.
»Du bist gekommen.« Danny konnte die Freude, die in dieser Feststellung lebte, nicht wirklich verstecken.
»Na ja, ich hatte sonst nichts vor.« Sie lächelte kurz, zögerlich. Auch sie war nervös.
»Ich nehme deine Tasche«, sagte er.
»Danke.«
»Du siehst toll aus.« Ein Lächeln. Danny trat auf sie zu.
Sie umarmten sich ungelenk. Sofort roch er ihr Haar, ihre Haut, den Duft, der ganz und gar Sunny war. »Du hast die Tickets?« Er nickte, nahm die Tasche.
Beide gingen sie zum Einchecken. Die Schlange war kurz. Sie standen nebeneinander und starrten auf die große Anzeigetafel, als würden dort in Kürze die bahnbrechenden Schlagzeilen des Tages auftauchen.
Als sie sich ihres Gepäcks entledigt hatten, fühlte Danny sich noch nackter als zuvor. Erst jetzt fiel ihm auf, wie hilfreich es gewesen war, die Taschen und die Gibson in dem Koffer zu tragen. Jetzt wusste er nicht so recht, wohin mit den Händen. Er steckte sie in die Hosentaschen.
»New Orleans also«, sagte Sunny, der es wohl ähnlich ging.
»Ja.« Danny schaute sich um. »Da drüben geht's zum Flieger.«
»Ich kenne mich hier aus«, sagte Sunny und grinste.
»Ja, stimmt.«
Stille.
Schon wieder.
Dann fragte er: »Wo warst du die ganze Zeit?« »In St. Pauls.«
Danny schnippte mit den Fingern, als er nach dem Namen suchte. »Bei...« »Judy.«
»Der Malerin!« Er erinnerte sich. Sie kannten sich von der Uni. Danny hatte sie nur einmal gesehen, nach einem Konzert.
»Genau. Bei Judy, der Malerin.«
»Du hast bei ihr gewohnt?«
»Sie hat ein Zimmer frei, mehr habe ich nicht gebraucht.« Danny murmelte: »Tja.« Sonst nichts. Sie gingen langsam zum Gate. »Hast du mich vermisst?«
Er zuckte die Achseln, versuchte cool zu wirken. »Geht so.«
»Du blöder, mieser Lügner, Danny Darcy«, sagte sie und knuffte ihn in die Seite.
Er ging neben ihr her und blickte nach vorn. »Es war die Hölle.« Langsam begannen die Worte zu sprudeln.
Er berichtete von Billy Ray, dem die Produzenten das Leben schwermachten, vom Leuchtturm und all den Dingen, die sich in der Leere aufgestaut hatten. Nur unwichtiges Zeug, natürlich. Von dem Hund, der immer noch am Ufer des großen Sees entlangstreunte, von den Nachbarn, die einen alten Baum fällen mussten, von belanglosen Dingen wie diesen eben.
Und Sunny?
Sie hörte ihm zu.
Mit großen Augen saugte sie all den unbedeutsamen Krempel auf, als habe sie seit Wochen darauf gewartet, dies endlich tun zu können.
»Wir sind da«, stellte Danny schließlich fest. Sie gingen
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