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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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durch die Sicherheitskontrollen und betraten das Flugzeug. Quälten sich durch den Gang, fanden endlich die Plätze. Sunny wurde zusehends nervöser. Sie hasste es zu fliegen.
    Selbst wenn die Band auf Tournee war, zog sie es vor, mit dem Bus oder dem Zug zum nächsten Ort zu fahren. »Wir sind«, pflegte sie zu sagen »nicht zum Fliegen erschaffen.«
    Danny wartete geduldig, bis die Stewardessen ihren Vortrag gehalten hatten, bis die Maschine über das Rollfeld in Startposition gegangen war, bis die Beschleunigung einsetzte, die Turbinen laut dröhnten und der Schub sie alle sanft in die Sitze drückte.
    Sunny blickte angespannt auf die Rückseite des Sitzes vor ihr. Der Sitz neben ihr war frei geblieben. Gut so!
    »Darf ich dir etwas sagen?« Die Frage war rein rhetorischer Natur.
    »Kann ich dich daran hindern?« Sunny hielt sich verkrampft an den Armlehnen des Sitzes fest. »Also.,,«
    Sie schloss die Augen, als das Flugzeug zu schaukeln begann. »Du bist so ein Schuft, Danny Darcy«, sagte sie leise und spähte heimlich durch das Fenster nach draußen, wo die Landschaft in die Schräge kippte.
    »Kann sein, dass es sich seltsam anhört.« So begann er. Und dann brachte er alles auf den Punkt: die Sache mit der Sherazade, das Telefonat mit seiner Mutter, seinen Besuch bei Tyler Blake.
    Er erzählte ihr von dem Fluch und von den Sirenen und dem Plan und von allem anderen auch.
    Sunny hörte ihm die ganze Zeit über zu. Denn das Flugzeug war noch beim Aufstieg.
    Als er fertig war, starrte sie noch immer auf die Rückseite des Sitzes vor ihr.
    Die Reiseflughöhe war erreicht.
    »Du denkst wirklich, dass ich dir das alles abnehme?«, fragte sie und atmete ein wenig auf.
    Danny nickte. »Warum sollte ich mir das alles ausdenken?«
    Sunny musterte ihn sprachlos.
    Einen Moment lang war es wie früher.
    Blicke, die ineinander versanken, Worte, die nicht erst ausgesprochen werden mussten. Magie schwebte leise überall und wisperte Märchen, die schon immer da gewesen waren.
    »Ich weiß nicht«, flüsterte sie. Ihre Stimme verlor an Kraft.
    »Erinnerst du dich an den Film, den wir in Nashville gesehen haben?«
    »Casablanca.«
    »Ich will dich nicht verlieren«, sagte er. Dann fasste er sie bei der Hand. Das Flugzeug war noch immer ein Flugzeug, aber ein anderes. Alles war jetzt schwarz-weiß und viel enger. Da war Wind, der sie frösteln ließ.
    Danny trug einen hellen Anzug mit Hut, Sunny ein Kostüm.
    In den Gängen standen große Kisten, es gab nicht so viele Sitzplätze, wie man hätte annehmen können. »Wir sind schwarz-weiß«, sagte sie nur, und ihr Gesicht verriet die grenzenlose Überraschung. Danny bedeutete ihr, aus dem Fenster zu schauen. »Siehst du?!« Sie staunte mit offenem Mund. »Hast du das gemacht?«
    Das laute Rotorengeräusch erfüllte die Kabine.
    Unter den hohen Tragflächen klebten bullige Propeller. Durch das winzige runde Fenster konnte man in der Ferne die blinkenden Positionslichter eines Flugplatzes erkennen.
    Nebel lag über allem.
    Die Lichter des Towers waren matte Inseln in der Nacht. Unten, auf dem Rollfeld, konnte man zwei Gestalten erkennen. Sie standen da, setzten sich in Bewegung.
    »Danny, wer ist das?«, fragte sie.
    »Claude Rains und Humphrey Bogart«, antwortete Danny. »Wo sind wir hier?«
    »An Bord des Flugzeugs, das Ilsa und Victor Läszlö in die Freiheit bringt.«
    Sunny betrachtete ihre Hände, die immer noch schwarz-weiß waren. »Wo ist die Farbe hin?«
    »Es ist wie im Film. So, wie die Geschichte erzählt wurde.«
    »Wo sind die anderen Passagiere?«
    »Noch immer an Bord von Delta Airlines.«
    »Und wir?«
    »Sind hier.«
    »Wo ist hier?«
    »Irgendwo dazwischen«, antwortete Danny nur. »Es ist ein Stück meiner Fantasie - und deiner natürlich auch. Wir beide erschaffen diesen Ort.« Er ergriff ihre Hand. »Sunny, das ist es, was ich tun kann. Ich habe dir nie davon erzählt, weil es nicht richtig gewesen wäre. Aber jetzt, in Anbetracht der Umstände, bleibt mir keine Wahl.«
    »Du wolltest es mir nicht sagen?«
    »Ich musste es dir zeigen, Damit du verstehst.«
    Sie wirkte durcheinander. »Aber ich habe dich und dieses Flittchen gesehen. Ich weiß es. Es war keine Geschichte, die irgendjemand mir erzählt hat. Sie war da und du auch und.,.«
    Das Flugzeug legte sich auf die Seite, als es den Kurs änderte und in die Wüste hinausflog.
    Die Umgebung veränderte sich wieder.
    Delta Airlines war wieder da.
    Sunny sah bleich aus. Ihre Hand hielt noch immer die

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