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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ihres Mannes.
    »Ich weiß, dass du mich mit dieser Frau gesehen hast«, sagte Danny. »Ich kann es nicht ungeschehen machen. Es ist eine Lüge, die in dir lebt. In dir und dem Baby.«
    »Du meinst, dass ich etwas gesehen habe, was gar nicht da war?«
    »Ja.«
    »Aber ich kann mich an den Geruch erinnern, an alles, was da war. Danny, ich kann das nicht vergessen. Es ist nichts, was man mit dem Verstand lösen kann. Ich habe es gesehen. Es ist passiert.«
    »Deswegen fliegen wir nach New Orleans«, sagte er. »Deswegen sind wir hier.«
    Sunny starrte wie benommen aus dem Fenster.
    Sie sagte nichts, schloss nach einer Weile ihre Augen, schlief aber nicht eine einzige Minute, wenngleich sie vorgab, genau dies zu tun. Sie wollte einfach nur nicht reden, das war alles. Erst als das Flugzeug nach knapp zwei Stunden zur Landung ansetzte, öffnete sie die Augen wieder.
    Dannys Hand indes ließ sie die ganze Zeit über nicht los. Kein einziges Mal.
    VIERTES KAPITEL
    Southern Gothic
    Because something is happening here But you don't know what it is, Do you, Mr. Jones?
    BOB DYLAN, Bailad ofa Thin Man
    Nach der Landung ging es Sunny ein wenig besser. Draußen vor dem Fenster, blinkten die Positionslichter des Louis Armstrong Internationa] Airport, New Orleans, Der Verkehr auf dem Rollfeld sah unwirklich aus, die hektische Betriebsamkeit, all die Gefährte, die Busse, eingefangen wie Motten von dem künstlichen Licht. Ein leichter Nieselregen lag in der Luft. Sie konnten es beide noch nicht richtig fassen, nicht nach den zwei Stunden, die erst seit Minneapolis vergangen waren. Ihrer beider Seelen schwebten noch irgendwo in den Sphären zwischen den Great Lakes und den Great Plains. Sie waren sogar über Jackson hinweggellogen.
    Und nun?
    Waren sie hier.
    Im tiefsten Süden.
    »Es riecht nach Sommer«, stellte Sunny fest, als sie das Flugzeug verließen und über die Gangway in den Nieselregen schritten.
    »New Orleans«, sagte Danny.
    Es dauerte fast eine Stunde, sich durch das Gewirr in den Terminals zu kämpfen, das Gepäck zu sichern, über Laufbänder zu laufen, und sie fühlten sich in die Irre geführt.
    Doch schließlich ließen sich beide auf den Rücksitz eines Taxis fallen, das sie zu ihrer Unterkunft in New Orleans Downtown bringen würde.
    Danny starrte müde in die Nacht hinaus, die voller Lichter war. Das Fenster des Taxis war halb offen, und eine frische Brise, die nach warmem Regen roch, strömte nach drinnen. Nach zwei Stunden klimatisierter Flugzeugluft war es eine Wohltat, das wirkliche Leben zu riechen. Ja, es roch tatsächlich nach Sommer, wie Sunny festgestellt hatte.
    Er lehnte sich zurück und betrachtete Sunny, die neben ihm saß und ebenso müde die Aussicht auf sich wirken ließ.
    Meine Güte, dachte Danny, sie ist wirklich mitgekommen.
    My sweet Laura Lee.
    Er betrachtete sein Spiegelbild in der halben Autoscheibe.
    Draußen, vor dem Fenster, zog eine Welt vorbei, die nicht weiter von Duluth und Minneapolis hätte entfernt sein können als die eisigen Winter in Klondike von den sonnigen Stränden in Key West.
    Große Palmen säumten die Straßen, und auf den Gehwegen tummelten sich die Menschen in sommerlicher Kleidung; helle Stoffe, bunte Gesichter, ein Potpourri wie die Stadt selbst; Spanier, Kreolen, Franzosen, Amerikaner. Die sanfte Hitze der Nacht flimmerte im Vorhang aus Lichtinseln und Nieselregen und benetzte die Scheiben des Taxis mit winzigen Tränen. Geschäfte, Restaurants, Bars und Büros flogen vorbei, erleuchtet wie die Eingänge zu fremden Welten. Da waren Stände mit Obst und Gemüse und allerlei exotischen Gewürzen, die selbst zu dieser Nachtstunde noch feilgeboten wurden; alte Kirchen und prächtige Häuser, kunstvoll verziert mit schmiedeeisernen Geländern, die Figuren, Früchte und Gegenstände zeigten, traditionelle Geschichten, ineinander verwoben, Blüten und Pflanzen, kunstvoll im Eisen eingefangen.
    Leise und laute Musik streifte den Wagen von jeder Ecke, die er passierte: Gospel, Barrclhouse, Jazz, Soul, Bebop. Farbige Straßenmusiker spielten Cajun Music oder Zydeco.
    Wie die Luft, die Dannys Gesicht streifte, so war auch die Musik. Schwül und drängend und voller glühender Leidenschaft, wie heiße Körper, die langsam ineinander eindringen, wie Licht, das sich im Schweiß bricht, der die Haut duften lässt und die Lust geschmeidig macht.
    Sunny blickte verträumt nach draußen.
    Ein heimliches Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
    Danny konnte den Blick kaum von ihrem

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