Lyra: Roman
diese Lüge über die Lippen kam.
»Deswegen«, brachte er es auf den Punkt, »suchen wir das Maison Rouge.«
Margery Lafitte wurde ernst, zum ersten Mal an diesem Abend. »Das Maison Rouge?« Sie legte ihre Gabel sogar auf den Tisch, als sie das sagte. Und sie warf ihrem Bruder einen wirklich bösen und überaus tadelnden Blick zu.
Henri Lafitte zog ein Gesicht. »Es ist nur eine Geschichte«, sagte er. »Eine von vielen.«
»Das Maison Rouge«, warnte sie eindringlich, »ist berüchtigt. Die Menschen erzählen sich schlimme Dinge über diesen Ort.«
»Ich bringe sie nur zu Laveau«, betonte er seiner Schwester gegenüber, »das ist alles.«
Margery sah mit einem Mal sehr besorgt aus. »Es ist gefährlich da draußen. Niemand sollte sich dort herumtreiben.«
Danny fragte sich, was genau sie mit dort meinte.
»Schon als ich klein war«, wisperte sie geheimnisvoll, »hörte ich von ihnen,«
»Oh, Margery, bitte!« Henri Lafitte seufzte langgezogen. »Die meisten Geschichten sind gut für die Touristen, mehr nicht.«
»Man munkelt, dass es nicht gut ist, wenn man dorthin geht.«
»Ich fahre sie nur nach draußen, sonst nichts.«
Die Diskussion zwischen Bruder und Schwester schien grundsätzlicher Natur.
»Was erzählt man sich denn so?«, fragte Sunny.
Danny war gespannt.
»Früher, als es hier noch kein Öl gab«, erklärte Henri Lafitte schließlich, »da gingen die jungen Mädchen oft dorthin. In die Sümpfe. Sie wollten Kräuter oder weiße Magie kaufen. Dinge, die sie davor bewahrten, schwanger zu werden.«
»Oder mit deren Hilfe sie Männer verführen konnten.«
»Andere gingen, so sagt man, zum Maison Rouge, wenn sie bereits ein Kind im Leib trugen und es nicht haben wollten,« Henri trank einen Schluck Wein. »Meine Schwester glaubt, dass viel Wahrheit in diesen Geschichten steckt.« Er stellte das Glas wieder auf den Tisch. »Ich tue das nicht.«
Sunny warf Danny einen beunruhigten Blick zu. Er widerstand dem Drang, ihre Hand zu ergreifen.
»Sind Sie schwanger, Liebes?«, fragte Margery plötzlich und hörte sich ganz unvermittelt wie eine Hellseherin in einem Gruselfilm an.
Sunny schluckte.
Sagte nichts.
»Ich sehe es Ihnen an«, sagte Margery. »Eine Frau spürt so was.« Ihre Augen waren besorgt, aufrichtig besorgt. »Sie sollten dort nicht hingehen, wenn Sie ein Kind in sich tragen. Nein, nein, das ist nicht gut.« Ihrem Bruder zugewandt sagte sie: »Du kannst dich weigern, sie zu fahren.«
»Sei nicht albern«, sagte er wütend.
»Du weißt, dass es da draußen nicht geheuer ist.«
»Blödsinn.«
»Henri!« »Wenn ich sie nicht hinfahre, dann werden sie irgendjemand anderen fragen«, gab er zu bedenken und hoffte ganz offensichtlich, sie damit zu beruhigen und zum Schweigen zu bringen. »Carl Hollanders Cypress Bayou Swamp Service und Jack Meyers Great Swamp Tours bringen jeden dort raus.« Er zog eine Grimasse. »Dann fahren sie doch besser mit »Warum konkret sollen wir nicht da rausfähren?«, fragte Danny.
Margery zuckte die Achseln. »Wie ich schon sagte. Es geschehen seltsame Dinge dort draußen.«
»Sie ist bloß abergläubisch«, hielt Henri Lafitte dagegen.
»Außerdem ist in zwei Tagen wieder L 'Orient.« Was immer das sein mochte, es schien Margery an der ganzen Sache am allerwenigsten zu gefallen. »Eine Frau, die ein Kind in sich trägt, sollte sich nicht da draußen herumtreiben, nicht an diesem Tag und nicht in der Nacht des Mysteriums.«
»Was meinen Sie?« Sunny starrte sie aus weiten Augen an. Sie kam sich allmählich immer mehr vor wie die Protagonistin in einem Horrorfilm.
»L'Orient«, erklärte Henri augenrollend, »ist ein alter Feiertag. Das ist alles. Im Voodoo ist er der Tag des großen Mysteriums. Ein Tag des Todes und ein Tag des Lebens.«
»Voodoo?« Danny warf seiner Frau einen unbehaglichen Blick zu.
Henri beschwichtigte ihn. »Kein Sorge, wir sind nicht in Hollywood. Voodoo ist eine Religion, nichts weiter. Kein Hokuspokus mit lebenden Toten und all dem Blödsinn.« Er warf seiner Schwester einen strengen Blick zu. »Du solltest sie nicht verunsichern.«
»Tu ich nicht. Ich rede nur offen.«
»Du machst sie mit deinem Hokuspokus verrückt.«
Die Spannung zwischen den beiden ließ sich nun fast mit Händen greifen.
»Wir haben kein Problem damit«, sagte Danny in der Hoffnung, die Situation zu entschärfen.
Sonny nickte rasch. »Wir sind sogar neugierig.«
Henri Lafitte lehnte sich genervt zurück. »Schon gut, dann erzähl ihnen eben
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