Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
vorbeikommt?«
    »Ihn auffressen«, sagte sie nur. Das war alles. Und mehr wollte Danny auch gar nicht wissen.
    Sie fasste ihn bei der Hand und zog ihn die Treppe wieder hinauf. Die Alligatoren starrten ihnen aus kalten Augen Calypso führte ihn in den Raum, in dem er ihr begegnet war.
    Sie kehrten zu dem Spiegel zurück, durch den sie Danny zu sich auf den Dampfer geholt hatte. Er war schwarz und groß genug, um aufrecht darin verschwinden zu können.
    »Dieser Spiegel hier«, erklärte Calypso, »gehörte eigentlich ins Maison Rouge.«
    »Deswegen ist er ein Tor?«
    Sie nickte und klimperte mit dem Schmuck an ihren Handgelenken. »Zu dem, was das Haus denkt und fühlt und uns an Bildern mit auf den Weg gibt.«
    Danny betrachtete sein Spiegelbild.
    Es sah müde aus, war kaum mehr als ein Schatten, was am seltsamen Glas des Spiegels liegen mochte. »Gib mir deine Hand«, forderte ihn Calypso auf.
    Er tat wie geheißen. Ihre Hancl wirkte zerbrechlich, lange Finger, die wie schnelle Noten in einem Song waren. Spuren von Schmutz, dunkel wie Erde, unter ihren langen Fingernägeln.
    »Bereit?«
    Er nickte.
    Dann gingen sie durch den Spiegel. Es fühlte sich kalt an.
    Danny spürte das Glas, und dann war da etwas, was sich anfühlte, als streife einem Spanisches Moos über die Haut. Sie traten in die Geschichten ein.
    Einfach so. Weil Dinge wie diese einfach sind, wenn man sie tun kann und daran glaubt. With no direction home.
    Danny hatte keinerlei Ahnung, was ihn erwartete. Er ließ sich einfach auf alles ein. Like a complete unknown.
    Nur teilweise wurde er zu dem Fremden ohne Namen. Like a rolling stone.
    Calypso veränderte sich nicht. In ihrem zerlumpten Kleid sah sie noch immer so sexy aus wie zuvor. Sie war ganz dicht bei ihm, ihre warme Haut berührte seinen Arm.
    How does it feel?
    »Diese Wüste«, sagte Danny, »war vorhin auch schon da.«
    »Wenn sie dir immer erscheint«, sagte Calypso, »dann hat sie etwas zu bedeuten.« Gleißendes Licht ließ sie die Augen zusammenkneifen. Sand wehte in alle Richtungen. »Was denn?«
    »Das musst du selbst herausfinden.«
    Sie streckte den Arm aus. »Da vorn ist etwas.«
    Danny schirmte seine Augen gegen das Sonnenlicht ab. »Ja, ich sehe es.«
    Es war ein dunkler Punkt am Horizont, bewegungslos, doch die Wüste gaukelte einem gern Bilder vor, denen in der Realität nichts entsprach.
    Weit entfernte Orte, längst entschwundene Freunde, sehr nah geglaubte Tote, niemals vermisste Verbannte. »Kommen Sie«, sagte Danny. »Schauen wir nach, was es ist.« Calypso erklärte sich einverstanden.
    Und so wanderten sie durch die Wüste. Ihre Füße versanken im hell treibenden Sand. Hitzekäfer schwebten über dem Flimmern wie Bienen, die kein Zuhause mehr fanden.
    Dann sahen sie es klar.
    »Ein Schiff!«
    Calypso wirkte interessiert, »Immer wieder neue Bilder«, seufzte sie. »Es ist so seltsam, in dieser Welt zu wandeln.« Sie erreichten das Schiff erst Stunden später, zumindest kam es ihnen so vor.
    Es war ein Dreimaster, mehrere Hundert Jahre alt. Vorn prangte ein nacktes Galionsmädchen am Bug, exotisch wild und mit verheißungsvollen großen Brüsten aus dunklem Holz. Die Segel waren weiße Fetzen, die leblos von den Masten herabhingen.
    »Früher gab es viele Piraten hier.« Calypso legte ihre Hand auf den Rumpf des Schiffes. »Sie vergruben ihre Schätze überall an der Golfküste. In den Grotten, die bei Flut versiegelt wurden, verbargen sie ihr Gold. Sie segelten bis tief in die Bayous hinein, errichteten dort Lager, von wo aus sie ihre Beutefahrten unternahmen.«
    »Ist das eine Prüfung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das hier nicht.«
    Danny erklomm die Strickleiter, die am Rumpf herabhing, und als er oben an Deck war, erkannte er, dass er in einem Nest stand. Im Grunde genommen war das gesamte Schiff ein einziges Nest.
    Calypso erreichte das Deck.
    »Das ist mysteriös«, wisperte sie nur.
    »Finden Sie?«
    Holz und Stroh, Wrackteile, Perlen, Juwelen und Möbcistücke - das und noch mehr war in und zu diesem Nest zusammengetragen worden. Kleidungsstücke, zerrissene Segel, Schuhe.
    »Es gab einen Korsaren«, erinnerte sich Calypso, »den alle Welt kannte. Coulee, Captain Coulee. Einst machten er und seine Leute vor einer Insel fest. Sie glaubten, dass es dort Gold gebe. Sie sahen einen Berg, riesig und weiß und glatt. Sie stiegen ihn hinauf, und plötzlich riss der Boden auf. Der Himmel verdunkelte sich, und ein gewaltiger Vogel kam auf sie zu.«
    Eine

Weitere Kostenlose Bücher