Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Oberdeck auf und ab.
    »Ich muss zurück.«
    Das war das Einzige, was jetzt zählte. Er musste ins Maison Rouge zurück und retten, was zu retten war.
    »Nein, Danny Darcy, du musst vorbereitet sein, wenn du ihr helfen willst. Heute Nacht ist L 'Orient. Dann wird die Erneuerung stattfinden. Du kannst nichts dagegen unternehmen, wenn du kopflos nach vorn stürmst.«
    »Aber irgendetwas muss ich doch tun können.«
    Sie lächelte wie ein Geheimnis in den Schatten. »O ja, das kannst du.«
    »Und was?«
    »Komm!« Sie führte ihn nach unten, ein Stockwerk tiefer. Dort war ein Raum, der voller Bücher war. »Hier sind die Geschichten, die wichtig sind.« Sie kramte in den Zetteln und Büchern herum, die Tische, Boden und Stühle bedeckten. Schränke oder Regale gab es keine in dem Raum, alles lag nur so herum.
    »Warum leben Sie hier?«, fragte Danny.
    »Es gefällt mir.«
    Dann fand sie, was sie gesucht hatte. Ein Buch mit dem Bild eines Vogels.
    »Sieht nicht freundlich aus«, bemerkte Danny, als er das Tier sah.
    »In Arkadien«, begann sie, »gab es einen See namens Stymphalos.«
    Im Schilf dieses Sees lebten riesige Vögel, kranichartige Wesen mit eisernen Schnäbeln. Ihre Klauen waren so scharf und ihre Flügel so mächtig, dass sie die Rüstungen der stolzesten Krieger zu durchdringen wussten. Manche behaupteten, dass sie ihre Federn wie Pfeile auf ihre Opfer abschießen konnten. Die Mythen der Griechen besagen, dass diese Vögel wie Ungeheuer unter den Menschen Arkadiens wüteten.
    »Doch das stimmt nicht ganz.«
    Die Stymphaliden waren die Wächter der Sirenen. Die Musen hatten sie damit beauftragt, ein Auge auf das Treiben und Wirken der Sirenen zu haben.
    »Kurz und gut: Die Sirenen fürchteten die stymphalischen Vögel.«
    Durch eine List lockten sie Herakles nach Arkadien, der die Vögel mit metallenen Klappern aufschreckte und mit vergifteten Pfeilen erlegte.
    Die überlebenden Vögel flohen aus Arkadien. Einige von ihnen wurden später auf der Insel Kolchis erblickt, wo sie die Argonauten angriffen. Im Laufe der Jahre wurden die stymphalischen Vögel gejagt und getötet. Schließlich verschwanden sie aus dem Gedächtnis der Menschen.
    »Nur ein einziger ihrer Art überlebte. Er flüchtete sich in die Welt, in der die Geschichten leben.«
    Wenn er schlief, dann wurde er zu einem Sternbild am Firmament.
    Sie sah ihn bedeutungsvoll an. »Das Sternbild der Lyra.«
    »Sie meinen...« Er stockte. Konnte das sein? »Dieser Vogel ist die Lyra?« Das war verrückt. »Es handelt sich gar nicht um ein Instrument?«
    »Deshalb ist auf älteren Sternkarten ein Vogel abgebildet.«
    Erneut betrachtete er das Bild. Es war eine alte Zeichnung, vergilbt und kaum zu erkennen. »Dann ist das der Vogel, der mich angegriffen hat?«
    »Er hat die Sirenen gewittert.«
    »Deshalb wollte er mich töten?«
    »Die Lyra hasst die Sirenen.« Calypso schlug das Buch zu und warf es auf einen Haufen Blätter, die am Boden lagen. »Wenn sich eine von uns in ihr Reich trauen würde, wäre es um sie geschehen.«
    Danny trat ans Fenster und blickte nach draußen, über den Sumpf. »Also deswegen mussten sie mich dorthin schicken.«
    »Nein«, widersprach Calypso, »Cacaelia und Calliopc wissen nichts von alledem.«
    »Aber Sie wissen es doch.«
    »Ich bin als kleines Mädchen ausgerissen und habe mich in den Geschichten verirrt. Es ist verboten, sich dort aufzuhalten. Ich sah die Lyra und konnte fliehen. Aber erzählt habe ich niemandem davon.«
    »Weil?«
    Sie kam auf ihn zu. Ihre Hände berührten seine Schläfen. Ihr Mund war seinem ganz nah. »Weil«, hauchte sie, »weil meine Schwestern nicht wissen, was sich dort verbirgt. Es gibt nur Legenden, Märchen. Die Geschichte von der Lyra, die sie dir erzählt haben, ist so wahr wie viele andere Geschichten. Vielleicht haben sie sogar geglaubt, du könntest sie finden.«
    »Aber sie wissen nichts von der wirklichen Lyra.«
    Ihr Atem war ihm jetzt so nah. »Es ist unsere Natur, zu verführen, das weißt du?!«
    Er nickte.
    Ihre Finger benetzten seine Augen mit dem Geruch von Gewürzen, scharf und exotisch. »Aber wir können allem, was wir sind, widerstehen, nicht wahr?« Ihre Lippen bebten, dann ließ sie von ihm ab. »Du bist nicht hier, um deiner Frau untreu zu werden.«
    »Nein.«
    Sie lächelte wie ein verletztes Tier. »Das ist gut so, Danny Darcy, denn das macht uns stark.«
    Er schluckte.
    War noch immer benebelt von ihrem Geruch und dem Klang ihrer Stimme.
    »Du wirst ins Maison Rouge

Weitere Kostenlose Bücher