M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
»Anfang zwanzig. Wer weiß, was ihn dazu bewogen hat, ausgerechnet in die NPD einzutreten. Das Elternhaus?« Er machte eine Pause, aber niemand gab ihm eine Antwort. »Leben seine Eltern noch?«
»Nein«, sagte Edith Liebergesell. »Seine Frau ist auch schon gestorben.«
»Das weiß ich. Die Partei war damals noch ziemlich neu, sie war in den bayerischen Landtag gewählt worden. Möglicherweise hatte Kreutzer einen Freund, der ihn überredet oder überzeugt hat. Wir wissen es nicht. Es gibt keine Hinweise auf parteiliche Aktivitäten, er war nur Mitglied, wie es aussieht. Nach zwei Jahren kündigte er die Mitgliedschaft. Warum? Wissen wir nicht. Schließen Sie aus, dass er hinter Ihrem Rücken …« Er sah wieder von einem zum anderen. »… Kontakte zur rechten Szene unterhielt? Zur NPD? Dass er sich auf irgendeine Weise politisch betätigte, aber wusste, er könnte mit Ihnen nicht darüber reden. Wär das denkbar?«
»Niemals.« Süden stand auf. »Ich werde ihn fragen, warum er damals diese Entscheidung getroffen hat, aber ich weiß, dass er heute von einer solchen Ideologie ein Weltall entfernt ist.« Er ging zum Fenster und lehnte sich einen Moment dagegen. Dann kam er zum Tisch zurück, stützte die Hände auf seine Stuhllehne. »Der Verfassungsschutz sollte öfter so akribisch arbeiten.«
Ohne jemanden anzusehen, klatschte Patrizia mit erhobenen Armen dreimal in die Hände.
»Was ist Ihre Ansicht zu der Vergangenheit Ihres Mitarbeiters, Frau Liebergesell?«, fragte der Kommissar.
»Meine Ansicht ist … Ich weiß, dass Leonhard Kreutzer mit solchen Leuten nichts zu tun hat und auch nicht rechts denkt. Er ist liberal und menschenfreundlich. Es ist mir egal, was auf Ihrem Zettel steht, ich glaube nicht, dass Leonhard jemals Mitglied der NPD war. Ich weiß nicht, wie sein Name auf die Mitgliederliste geraten ist, falls diese Liste nach ungefähr fünfundvierzig Jahren überhaupt noch existiert. Wenn Sie meine Ansicht hören wollen, hier ist sie: Mein Angestellter, Herr Kreutzer, fiel während einer Ermittlung einem versuchten Mordanschlag zum Opfer. Die Täter kommen aus dem Umfeld des Lokals Bergstüberl, und ich verstehe nicht, warum Sie hier sitzen, anstatt alles daranzusetzen, die Schläger zu finden und die Leute, von denen sie beauftragt wurden, hinter Gitter zu bringen. Sie haben sich von diesen Leuten Geschichten erzählen lassen, die nachweislich nicht stimmen können, und Sie lassen es zu, was bedeutet, Sie haben kein Interesse daran.
Wenn es sich tatsächlich um Leute aus der rechten Szene handeln sollte, kann ich Ihr Verhalten nicht anders deuten, als dass Sie diesen Leuten nicht zu nahetreten wollen, aus welchen Gründen auch immer. Ich unterstelle Ihnen nichts, ich ziehe nur meine Schlüsse. Das ist meine Ansicht, und jetzt möchten meine Kollegen und ich gern gehen, denn wir haben sehr viel zu tun. Wir arbeiten nämlich auch an dem Fall.«
»Ich möchte Sie warnen, unsere Ermittlungen durch eigenmächtige Aktionen zu gefährden.«
Edith Liebergesell bückte sich nach ihrer Handtasche und stand auf. »Wir werden Sie bestimmt nicht gefährden, wobei denn? Sind wir fertig?« Auch Patrizia erhob sich und blickte zur Tür, unübersehbar an Süden vorbei.
»Nach allem, was vorgefallen ist«, sagte Franck beim Aufstehen, »können Sie doch nicht so naiv sein und auf eigene Faust Untersuchungen anstellen. Was glauben Sie denn? Natürlich nehmen wir das Lokal noch mal unter die Lupe, und zwar haarklein. Genauso die Gegend um die Schule am Hasenbergl. Es muss einen Grund geben, dass die Täter ihr Opfer genau dort abgelegt haben, sie kannten die Schule. Die Kollegen vor Ort sind informiert und seit heute um sechs Uhr unterwegs. Wir bearbeiten den Fall und werten ihn, wie schon mehrmals gesagt, als versuchten Totschlag. Also respektieren Sie meine Arbeit und torpedieren Sie sie nicht. Und sollten Sie irgendeinen Hinweis erhalten, den wir nicht kennen, verlange ich, dass Sie mich sofort anrufen. Kann ich mich darauf verlassen, Frau Liebergesell?«
»Selbstverständlich.«
Ein Ja wäre besser gewesen, dachte Süden.
»Ein Ja hätte genügt«, sagte Franck und zog die Tür auf. Auf dem Flur herrschte ein Kommen und Gehen von Männern und Frauen, die Akten oder prall gefüllte Kuverts mit sich trugen.
»Wir bleiben in Kontakt.« Edith Liebergesell ließ Patrizia und Süden den Vortritt und wandte sich noch einmal um. »Sie kommen nicht zufällig auf die Idee, uns beschatten zu lassen?«
»Auf
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