Macabros 001: Der Monster-Macher
Balkon zu
gelangen.
Geschmeidig wie eine Katze glitt er an der Hauswand entlang,
krallte sich an den überstehenden Kanten der
Kunststoffverkleidung fest, sprang ab und landete eineinhalb Meter
tiefer sicher auf den Beinen.
Unwillkürlich sich duckend huschte er auf die Balkontür
zu, stieß sie nach innen und verschwand in dem dunklen Raum der
Japaner.
Als erstes zog er die Vorhänge zu und knipste ein
Nachttischlämpchen an. Im Schein der Birne, die er
zusätzlich mit einem am Kopfende des Bettes liegenden Handtuch
abdeckte, begann er sich umzusehen.
Er warf einen Blick in die Schubladen, fand aber außer
persönlichen Utensilien nichts, was verdächtig gewesen
wäre und seinen Verdacht erhärtet hätte.
Er öffnete den Schrank.
Fein säuberlich aufgehängt waren die Kleider. In zwei
verschiedenen Fächern lag frische Unterwäsche.
Hin und wieder verhielt Anderson lauschend in der Bewegung, ob
sich Schritte dem Zimmer näherten, ob jemand einen
Schlüssel in die Tür steckte.
Aber alles war ruhig.
Während seiner Suchaktion kamen ihm Zweifel. Jagte er auch
keinem Phantom nach? Warum mußte er ausgerechnet bei Yamahoki
und Hamado suchen? Warum nicht bei den anderen Japanern, die zum
technischen Stab gehörten?
Aber das war so eine fixe Idee von ihm. Yamahoki und Hamado hatten
unmittelbar etwas vom Unfall. Aber das war ja Unsinn! Auch die
anderen hatten etwas davon. Alle Mitglieder des Taykushi-Konzerns,
der hier seinen ersten Rennwagen der Welt vorstellte, waren ebenso
verdächtig. Sie alle waren Nutznießer.
Anderson merkte, wie er in Schweiß geriet. Sein verbotenes
Eindringen; einer fixen Idee entsprungen, zerrte doch mehr an seinen
Nerven, als er sich selbst eingestehen mochte.
Auf seinem Gesicht zeigten sich hektische rote Flecken, als er
anfing, sich den eckigen Koffer vorzunehmen, der etwas von einem
verkleinerten Schrankkoffer an sich hatte.
Plötzlich stutzte Poul Anderson. Er zuckte zusammen, als ein
Einsatz sich unter seinem Zugriff bewegte.
Der Einsatz war nur lose aufgesetzt über einem Geheimfach!
Der kleine Schrankkoffer enthielt mehr, als man ihm auf dem ersten
Blick ansah!
Der Einsatz ließ sich nach oben ziehen und zur Seite
schwenken.
Ein Behälter mit großen Ampullen, einem Fach mit
Injektionsnadeln und einer großen Kolbenspritze lag bloß
vor seinem Auge.
Dopingmittel?
Eine neue Art, ein Präparat, das nicht auf die
herkömmliche Weise nachweisbar war?
Oder etwas anderes?
Die Plastikbehälter waren nicht beschriftet, sie waren
neutral.
Ehe er sich intensiver mit der Entdeckung befassen konnte, trat
ein Ereignis ein, mit dem er die ganze Zeit gerechnet, das er aber
nicht so schnell erwartet hatte.
Ein Schlüssel wurde ins Türschloß gesteckt.
Es ging so plötzlich, daß Poul Anderson
überrumpelt wurde.
Er hatte nicht auf die Schritte geachtet, und nun ging alles
blitzschnell.
Es war unmöglich, eine der Ampullen zu entfernen. Er
mußte sich sputen, um den Koffer wieder so in Ordnung zu
bringen, daß niemand merkte, daß ein Fremder dran gewesen
war.
Er schwenkte den Einsatz zurück und drückte ihn wieder
nach innen. Aber in der Eile schaffte er es nicht mehr, die beiden
genau passenden Teile in die vorgesehenen Kerben zu drücken.
Er drückte den Deckel zu, stellte den Koffer in den Schrank
und schloß die Schranktür.
Das Licht!
Seine zitternde Hand riß das Handtuch vom Schirm. Mit der
anderen Hand schaltete er das Licht aus.
Der Vorhang!
Er zog die eine Hälfte nach links.
Da öffnete sich schon die Tür.
Ein schmaler Lichtstreifen fiel über den Teppichboden. Das
Licht von draußen. Wie ein Balken lag der Lichtstreifen quer im
Zimmer und berührte fast die Absätze des
Engländers.
Kalter Schweiß perlte auf Andersons Stirn.
Es blieb ihm nur noch eine Möglichkeit: sich in die dunkle,
etwas enge Ecke zu drücken, die der zweite Schrank und die
schmale Wand neben dem Balkonfenster hinter der rechten
Vorhanghälfte übrig ließen.
Es gab kein langes Überlegen.
Anderson bemühte sich, die Bewegung so sachte wie
möglich auszuführen um nicht zu stark an dem Vorhang zu
reißen und sich durch dessen Bewegung wieder zu verraten.
Doch es ging zum Glück gut.
Anderson hielt den Atem an.
Ein langer Schatten fiel quer ins Zimmer. Dann ein zweiter.
Dann sagte eine Stimme etwas. Es war die Stimme von Hamado. Er
sprach japanisch, und Anderson wußte nicht, worum es ging.
Die Tür klappte ins Schloß.
Eine Nachttischlampe wurde angeknipst.
Poul Anderson
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