Macabros 002: Fluch der Druidin
vor
Angst. »Ein Ungeheuer, verstehst du? Es hat Berry gefressen. Mit
Haut und Haaren. Ich will weg hier, so schnell wie möglich.
Lichte die Anker, Brendan! Hau ab! Mehr kann ich dir nicht
sagen.«
»Seid ihr denn alle verrückt?« Thomas Brendan
riß Hilton einfach zu sich herum. »Du hast einen
Taucher-Koller. Du hast zuviel reinen Sauerstoff intus, davon wird
man besoffen. Geh, schlaf deinen Rausch aus.« Er gab Hilton
einen Schubs, daß er über das Deck torkelte. »Mach
das Ding wieder startklar, Shaffers! Ich tauche selbst.«
Shaffers machte ein bedenkliches Gesicht.
»Der Wind ist stärker geworden, die Wellen
höher«, warnte er. »Das Wetter verschlechtert sich
Zusehens. Es gibt einen Sturm, Brendan.«
»Bis der losbricht, bin ich wieder oben.
Außerdem…« Thomas Brendans Mundwinkel klappten herab.
Seine Augen weiteten sich. »Aber das gibt es doch nicht«,
entrann es seinen Lippen.
Er starrte auf einen bestimmten Punkt auf dem Schiff. Er
schluckte.
Björn Hellmark stand vor der Reling, kletterte drauf, stand
fünf Sekundenlang reglos still und sprang dann in die Tiefe.
Thomas Brendan ballte die Fäuste. Er rannte über das
Deck, starrte auf die Wasseroberfläche. Wo Hellmark eingetaucht
war, liefen Wellenringe auseinander.
Drei Minuten verstrichen. Hellmark tauchte nicht wieder auf.
Brendan wischte sich mit einer fahrigen Bewegung über die
Stirn.
»Es geht aber auch alles schief. Horseman, dieser Trottel! Er
hat nicht aufgepaßt, und ich habe ihm extra eingebleut, auf der
Hut zu sein. Shaffers, mache den Bathyskaph tauchklar. Ich bin gleich
wieder zurück.«
Er eilte den Aufgang hinunter, hetzte durch den langen Gang,
riß die Tür zur Kammer auf, in der Rathly gefangengehalten
wurde und prallte zurück.
In der Ecke hockte der reglose Hellmark.
Brendan schüttelte sich.
Wurde er verrückt? Er durchquerte die Kammer, ging auf
Hellmark zu und schüttelte ihn. Hellmark war schwach und kippte
auf die Seite.
»Aber ich habe ihn doch eben gesehen«, murmelte er.
Angst schwang in seiner Stimme mit.
Der Meuterer rannte hinaus auf den Gang, prallte gegen George
Shaffers, der ihm nachgefolgt war.
Shaffers blickte über Brendans Schultern, begegnete dem Blick
des Bärtigen und erschauerte.
»Du hast ihn also auch gesehen, Shaffers, nicht
wahr?«
Der Angesprochene nickte. Shaffers rieb sich an seiner spitzen,
hervorstechenden Nase. »Das ist makaber, Brendan. Auf der
’Delphin’ spukt’s. Kann ein Mensch an zwei Orten zur
gleicher Zeit sein?« Sein Blick irrte von dem Reglosen zu
Brenda, der seine Erregung kaum verbergen konnte.
»Wir sollten wirklich die Anker lichten«, fügte
Shaffers hinzu.
»Ich denke nicht dran. Ich will wissen, woran ich bin.«
Plötzlich kam eine Erleuchtung über ihn. Er schlug sich mit
der flachen Hand vor die Stirn. »Mensch, George! Der Fall ist
doch klar: Zwillingsbrüder! Das ist der Trick. Rathly hat sich
was ausgedacht und will uns bluffen. Aber da hat er sich in den
Finger geschnitten. Ich bleibe hier.«
*
Aber der Mann, der in die See tauchte, war nicht Björn
Hellmarks Zwillingsbruder.
Hellmark hatte gelernt, durch Konzentration einen
Doppelkörper entstehen zu lassen.
Hellmark II glich in allen Einzelheiten dem Originalkörper.
Nur – wenn Hellmark II voll lebendig und aktiv war, blieb
Hellmark I geschwächt zurück. Hellmark II konnte alles
unternehmen, und war unverwundbar, während Hellmark I aufs
höchste gefährdet war. In diesem schlafähnlichen
Zustand konnte man ihn vernichten. Im gleichen Augenblick aber
würde auch der Doppelkörper ausgelöscht. Der war
abhängig vom Lebensstrom, den dieser Körper
ausstrahlte.
Macabros war entstanden.
Dieser Doppelkörper widersprach allen irdischen Gesetzen. Und
da er kein natürlicher Körper war, keiner, der den
physikalischen Bedingungen gehorchte, war er auch nicht von diesem
abhängig.
Der Doppelkörper glitt in die Tiefe.
Hellmark II sah, hörte und empfing alle Eindrücke, die
auch sein normaler Körper aufgenommen hätte. Er konnte
denken. Aber er brauchte nicht zu atmen.
Hellmark II war sichtbarer Geist, der den physikalischen Gesetzen
des Körpers nicht unterworfen war.
Hellmark II war Macabros.
Der Druck des Wassers konnte ihm nichts anhaben, Macabros starrte
mit großen Augen in die Dunkelheit. Die Fische und die mit
Algen und Moos überwachsenen Felsen nahm er nur als Schemen
wahr.
Lautlos schwebte etwas Großes, Unförmiges an ihm
vorüber.
Teil eines Bathyskaph!
Macabros
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