Macabros 005: Die Schreckensgöttin
der junge
Maler und seine Begleiterin, die Bourchier Street.
»Dort gibt es viele alte Häuser. Sie wohnt unter dem
Dach«, fuhr Laughton fort. »Die Wohnung ist einfach, sehr
bescheiden eingerichtet. Das Mädchen hat nicht viel Geld, das
sieht man auf den ersten Blick. Aber sie ist ernsthaft an einem
meiner Bilder interessiert. Gemeinsam sprechen wir über die
Arbeiten, die ich dabei habe. Sie gefallen ihr alle. Wir gehen in das
angrenzende Zimmer. Dort will sie ausprobieren, wie sich der
Wandschmuck macht. Es ist ihr Schlafzimmer.«
Dann Stille. Edgar Laughton schwieg.
»Was geschieht im Schlafzimmer, Mister Laughton?« Jeremy
Shaker stellte seine Frage präzise und knapp.
Björn Hellmark lächelte still vor sich hin. Eine
Bemerkung lag ihm auf der Zunge. Was konnte schon in einem
Schlafzimmer geschehen, in dem zwei junge Menschen zusammentrafen,
die sich auf den ersten Blick offensichtlich sympathisch gewesen
waren? Die Frage beantwortete sich von selbst.
Der Ausdruck auf Laughtons Gesicht veränderte sich. Sein
Unterbewußtsein nahm die klar formulierte Frage des Psychologen
auf.
»Ich weiß nicht«, antwortete der Hypnotisierte
nur.
Alle weiteren Fragen gingen ins Leere.
Mit der Begegnung zwischen ihm und der Unbekannten war etwas
geschehen, was die Gedächtnisstörung ausgelöst hatte.
Dies war offensichtlich.
Je mehr Shaker fragte, desto unruhiger wurde Laughton. Ein Zucken
lief über sein Gesicht, seine Augenlider zitterten, und
Schweiß perlte auf seiner Stirn. Immer wieder waren
Ansätze zu erkennen, daß er offensichtlich etwas mitteilen
wollte, aber es nicht vermochte.
Laughton sah etwas. Sein Gesicht war verzerrt, er bewegte die
Lippen. Es bereitete ihm ungeheuere Mühe, das in Worten zu
formen, was sich offenbar in seinem Geist regte.
»Da… Tempel…«, sagte er, wie ein kleines Kind,
das die ersten Worte sprechen konnte.
»Er hat den Faden verloren«, murmelte Shaker. »Doch
wir sind auf der richtigen Spur. Ich hätte nicht geglaubt,
daß wir in einer einzigen Sitzung soweit kommen
würden.«
»Versuchen Sie’s weiter, Doc«, drängte
Hellmark.
»Das ist einfacher gesagt als getan«, erwiderte der
Psychologe.
»Ich weiß. Doch es geht unter Umständen um Mister
Laughtons Leben. Je schneller wir etwas über sein
zurückliegendes Leben erfahren, desto besser. Das gibt uns
vielleicht die Waffe in die Hand, sein Leben zu retten.«
Hellmarks Stimme klang besorgt.
Laughton bekam von diesem kurzen Zwiegespräch nichts mit.
Alle Worte, die nicht direkt an ihn gerichtet waren, erfaßte er
nicht.
Noch immer verhielt er sich äußerst unruhig. Shaker
prüfte den Puls des Patienten. Der Psychologe machte ein
besorgtes Gesicht. »Lange hält er das nicht mehr aus. Er
ist aufs Äußerste erregt. Der Puls steigt weiter an. Ich
habe so etwas noch nie erlebt. Wenn ich nur wüßte, was er
sieht. Wenn ich nicht die richtige Frage stelle, wird er nicht
antworten können.« Shaker stand vor einer Mauer, die er
nicht durchbrechen konnte.
»Sagen Sie mir, was Sie sehen!« befahl er.
»Nein«, lautete die Antwort Laughtons.
»Aber Sie sehen doch etwas?!«
»Ja.«
Weitere Schweißausbrüche. Laughtons Glieder zuckten,
als würden elektrische Stromstöße durch seinen
Körper gejagt.
»Was sehen Sie? Was sehen Sie? Sprechen Sie, Laughton, es
geht um ihr Leben!« Shakers Stimme klang laut und hart,
riß Laughton immer wieder empor aus dem Zustand des
Vergessens.
»Ich… möchte… schlafen…«, erhielt
Shaker zur Antwort.
»Sie dürfen nicht schlafen. Sie müssen hellwach
sein!« drängte Shaker.
»Die Bilder – erzählen Sie uns von den Bildern, die
Sie sehen. Nicht einschlafen, nein, nicht schlafen. Es wird ein
Schlaf sein, aus dem Sie nicht mehr wach werden.«
»Der Tempel…«, wieder die gleiche Bemerkung.
»Er ist groß… rund… endlos weit… ich
gehöre dazu. Ich kann nicht… darüber sprechen…
ich darf es nicht…«
Dr. Jeremy Shakers Unruhe nahm nun auch zu.
»Puls einhundertdreißig«, flüsterte er.
»Ich muß das Experiment abbrechen, meine Herren. Zwar hat
seine Sensibilität in diesem Augenblick einen Höhepunkt
erreicht, der hoffen läßt, daß wir weiterkommen
könnten, aber ich kann es nicht länger verantworten,
Laughton in diesem Zustand zu belassen.«
»Einen Moment, Doc«, warf Hellmark da ein. Er erhob sich
blitzschnell. »Ist noch Zeit, eine einzige Frage zu
stellen?« Ihm war plötzlich eine Idee gekommen.
»Ja, aber schnell bitte.«
Björn beugte sich über
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