Macabros 008: Die Geister-Höhlen
ist?«
schaltete sie sich noch einmal ein, als er zur Garderobe ging, um
seine Jacke abzunehmen. »Heute abend, im Hotel Alpenrose. Der
Empfang.«
Er sah sie erstaunt an. Er nickte. »Ja, ich weiß.«
Er sagte es wie ein Fremder zu ihr.
Ihr wurde angst. »Ich habe mich so sehr darauf gefreut. Wie
lange sind wir nicht mehr ausgewesen. Ich möchte tanzen mit
dir.«
»Samba, wie?« Für einen Moment war er wieder der
alte. Er gab ihr einen Kuß. »Ich muß eine Zeitlang
allein sein mit mir, über verschiedene Dinge nachdenken. Wenn
ich weg muß, werde ich dir auf jeden Fall Bescheid sagen,
Schoko. Ich kann nichts versprechen, Schoko. Ich muß mich
treiben lassen wie ein Blatt im Wind. Der Empfang heute abend ist
nicht wichtig. Wir können immer noch gemeinsam ausgehen,
miteinander tanzen. Wir werden noch viel, viel Zeit füreinander
haben.«
»Du hast etwas vergessen«, sagte sie schnell, als er
schon zur Tür ging.
Draußen war es noch immer nicht ganz hell.
»Was, Schoko?«
»Die Tatsache, daß du ohne einen zwingenden Grund heute
abend nicht einfach fernbleiben kannst. Man erwartet dich. Besonders
das Gespräch mit Reginald Dickson dürfte von besonderem
Interesse sein.«
Er nickte. »Geschäfte, Geschäfte, wie recht Al
Nafuur damit hat. Aber diese Geschäfte sind nur vorgespiegelt,
es gibt sie nicht wirklich.«
»Du mußt diese Vorspiegelung beibehalten. Wenn du sie
sausen läßt, gibt es Ärger und gewisse Leute fangen
an, sich Gedanken darüber zu machen. Du bist nun einmal der Chef
einer Firma, die pharmazeutische und kosmetische Artikel in aller
Welt vertreibt. Daß dies in Wirklichkeit eine Zweigstelle
deines Vaters ist, daß tausend andere Hände für uns
arbeiten und die Firma nur auf dem Papier existiert, ist die
Wahrheit. Aber die Wahrheit ist auch, daß du der Chef bist.
Überall in Europa und im überseeischen Ausland existieren
Zweigstellen. Und die gibt es nicht nur auf dem Papier, die gibt es
wirklich. Reginald Dickson ist Vertriebsleiter in New York. Du hast
ihn selbst eingeladen.«
»Hab’ ich das wirklich? Hast nicht du den Brief
geschrieben, Schoko? Und selbst wenn Dickson kommt, was hat das zu
bedeuten? Dann schick ich ihm eben einen Vertreter. Ein Anruf
genügt. Auf meinen Vater ist Verlaß.«
Carminia seufzte. So war es immer bisher gewesen. Seitdem die Jagd
auf das Böse zu seinem Alltag gehörte, die Abwehr von
Angriffen aus dem Reich der Unsichtbaren, konnte er einfach nicht die
Geschäfte verfolgen, die auch unwichtig für ihn geworden
waren.
Er sah sein Menschendasein mit anderen Augen. Zwar konnte er, wenn
es darauf ankam, an zwei Orten zur gleichen Zeit sein, aber nicht an
vielen Orten gleichzeitig.
Die Brasilianerin seufzte. »Na schön! Es war ein
Versuch. Ich wollte ja auch nur mit dir tanzen.«
Sie sah ihm nach. Er lief den Weg bis zum Gartentor, verschwand
dann auf der dunklen Straße. Seine Schritte verklangen.
Es klang wie Abschied.
Merkwürdig, dachte Carminia Brado. Weshalb kamen ihr solche
Gedanken?
Sie fand keine Erklärung dafür.
*
Wenige Minuten vor neun rasselte das Telefon.
Beim zweiten Klingelzeichen war die Brasilianerin schon am
Apparat.
Björn, dachte sie.
»Miss Brado?« fragte eine fremde Stimme. »Hier ist
Reginald Dickson aus New York. Kann ich Mister Hellmark
sprechen?«
Sie erklärte ihm, daß er nicht da sei und sie
könne auch nicht sagen wann er zurück sein würde.
Allerdings sei sie befugt, Entscheidungen zu treffen.
Er wollte mit ihr sprechen, aber das ginge am Telefon schlecht,
erklärte er ihr.
»Dann kommen Sie doch hierher!« forderte sie ihn
auf.
Damit beging sie den größten Fehler, denn sie konnte
nicht wissen, daß der Reginald Dickson der sich angemeldet
hatte, gar nicht der Reginald Dickson war, der eigentlich hatte
kommen sollen.
Ein Beauftragter Molochos’ war auf dem Weg zu ihr. Das
grausige Karussell, das Hellmark das Genick brechen sollte, wurde
durch die Frau, die ihn liebte, in Bewegung gesetzt.
*
Sie brauchte nicht lange auf den Besucher zu warten.
Reginald Dickson, weltmännisch und charmant, fuhr mit einem
Taxi vor.
Carminia Brado empfing den amerikanischen Gast an der
Haustür, führte ihn in den Salon, in dem eine schwere
Ledergarnitur zum Sitzen einlud.
Dickson verstand zu plaudern. Er sprach über seinen Flug,
über das Essen an Bord und über seine Ankunft in Genf
letzte Nacht.
Das Zimmer gefiel ihm ausgezeichnet.
Carminia wunderte sich, daß ihr Gast, der es am Telefon so
eilig
Weitere Kostenlose Bücher