Macabros 010: Duell mit den Höllengeistern
Glas hin. Es war mit einer dunklen
Flüssigkeit gefüllt, in der er einen schweren Port
wiederzuerkennen glaubte.
»Trinken Sie«, flüsterte sie.
»Warum?«
»Fragen Sie nicht, Armand! Trinken Sie!«
Sie nannte ihn Armand. Wie das klang, aus ihrem Munde!
Er beugte sich nach vorn. Sie hielt ihm das Glas, er nippte daran.
Es schmeckte wie Portwein. Aber da war noch ein anderer Geschmack.
Wie nach Kräutern. Fremdartig und betäubend.
»Trinken Sie! Dann gehören Sie uns.«
Er trank. Es lief heiß und verbrennend seine
Speiseröhre hinunter.
»Und nun kommen Sie mit mir!«
O ja, das wollte er. Alles um ihn herum versank in Unwichtigkeit.
Mit diesem Mädchen würde er bis zum Ende der Welt gehen,
wenn es das von ihm verlangen sollte.
Desiree nahm ihn bei der Hand.
Sie ging um den abgerückten Schrank herum und zog Moresh mit
sich.
Er mußte den Bauch einziehen, um die Tür zur Wohnung
der geheimnisvollen Madame Lucienne, die vor fünf Jahren
verstorben war, passieren zu können.
In Moresh stieg ein Triumphgefühl auf. Er fühlte sich
voller Heiterkeit und Schwung wie schon lange nicht mehr.
Desiree war ein richtiger kleiner Teufel. Das hätte er dieser
wohlerzogenen Tochter von Pierre Barlon gar nicht zugetraut.
Der Vater befand sich derzeit auf einer Geschäftsreise im
Ausland. Mama und Tochter aber schienen eine Art Eigenleben zu
führen.
Er war bereit, alles mitzumachen.
Er lief hinter dem nackten Mädchen her, spürte die
warme, feste Hand in der seinen.
Mit jeder Sekunde wurde er gleichgültiger, kritikloser. Sein
Verstand funktionierte so gut wie gar nicht mehr. Aber das erkannte
er nicht.
Er blickte in den Raum, wo die Kerzen brannten.
Dort also waren sie versammelt. Raffiniert. Bei Kerzenlicht. Mal
was anderes.
Wie im Drogenrausch ließ er alles mit sich geschehen.
Die Wirkung der geheimnisvollen Kräuter, die dem Portwein
beigemischt gewesen waren, machte sich stärker bemerkbar.
Nackte Arme schlangen sich um seinen Hals.
Er fühlte sich geküßt, erwiderte diese
Küsse.
Dann war da noch jemand. Wie im Halbschlaf nur nahm er noch die
Dinge wahr.
Das Blut hämmerte in seinen Schläfen, sein ganzer
Körper fühlte sich heiß und fiebrig an.
»Leg dich hin, Armand!« Leise aber bestimmt kam der
Befehl.
Er befolgte alles. Er war gehorsam wie ein kleines Kind.
Er lag weich. Wie auf Samt.
Rundum bewegte sich alles. Die Wände, die Kerzenflammen, die
Frauen… Frauen, ja. Es waren zwei. Auch Madame Barlon war da. Er
nahm sie wahr wie durch eine Nebelwand.
Er streckte sich aus. Er hatte die Augen weit geöffnet, als
müsse er alles in sich hineintrinken, als dürfe ihm nichts
entgehen.
Seine Arme wurden auf dem Altar festgebunden. Es gab unter der
Platte dicke schwarze Schnüre. Sie wurden nicht zum erstenmal
benutzt. Aber das wußte Armand Moresh nicht.
Ein Schatten streifte ihn.
Arme faßten über ihn hinweg, waren gekreuzt über
seinen Körper. Wie bei einem Ritual…
»Nicht Wasser, nein Blut, wir geben’s. Komm, prüf
unser’n Mut! Hier ist es!«
Zwei Stimmen. Sie klangen wie eine einzige.
Flammen schlugen in seinem Gesichtsfeld empor. Flammen über
ihm.
Die Teufelsgestalten!
Er erkannte sie wieder.
Da waren sie. Zehn, fünf zehn, zwanzig. Er konnte sie nicht
mehr zählen.
Er hörte das höllische Gekicher, das Raunen und Wispern
der Unsichtbaren. Dann kam der Blitz.
Er war schwarz und griff tief in sein Bewußtsein hinein.
Für drei Sekunden wurde er völlig klar.
Er lag auf einem Opferstein.
Eine Hand schwebte über ihm. Ein nackter Arm. Der Arm einer
Frau. Glatt und jugendlich. Er vermochte nicht zu sagen, zu wem er
gehörte. Zu Edith oder zu Desiree.
Er schrie. Seinen Schrei hörte niemand.
Ein langer spitzer Dolch bohrte sich in seine Brust.
Das Blut quoll aus der Wunde, sickerte im Rhythmus seines
schwächer werdenden Herzens in das weiße Samttuch, das
kurz darauf aussah, als hätte man mit ihm den Fußboden in
einem Schlachthaus aufgewaschen.
*
In der Nacht schafften sie die in alte Leinentücher
eingeschlagene Leiche aus dem Haus.
Armond Moresh war schwer. Aber Edith und Desiree Barlon, die
beiden Satansschwestern, wurden mit ihm fertig.
Niemand beobachtete den silbergrauen Citroen, in dessen
geräumigem Kofferraum die Leiche aus Paris geschafft wurde.
Edith Barlon steuerte den Wagen. Schweigend, die dunklen Augen auf
die Straße gerichtet, saß Desiree neben ihr.
Ein stilles, wissendes Lächeln lag um den
schöngeschwungenen Lippen der
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