Macabros 011: Im Leichen-Labyrinth
genug gewesen, heimlich nach draußen zu
verschwinden. Aber ich war dabei. Das hat Ihren schönen Plan
über den Haufen geworfen. Nun, ich bin nicht von der Polizei, es
steht mir nicht zu, mir Gedanken über die ganze Angelegenheit zu
machen. Ruf an, Antonia!«
»Nein, nicht die Polizei, bitte.« Wieder die gleiche
Reaktion wie vorhin.
Er schien Angst zu haben.
Björn bückte sich. Sein Blick fiel auf das
Geschriebene.
Protokoll einer spiritistischen Sitzung, stand auf dem einen
Blatt. Totenbeschwörungversuch Nr. 3, auf einem anderen.
»Ich werde Ihnen alles erklären«, sprudelte es
über die Lippen des Ertappten. »Aber lassen Sie die Polizei
aus dem Spiel. Vorerst noch. Vielleicht ist es nämlich so,
daß ich der Polizei einen Tip geben kann, was auf dem
Hauptfriedhof von Grafenau wirklich passiert ist. Sie wissen es
vielleicht. Die Sache mit dem Leichenraub.«
Er ging in die Hocke. Sein lederartiges Gesicht war voller
Runzeln. Die Lippen waren kräftig ausgebildet. Sein Gesicht
befand sich dicht vor Björn. »Wissen Sie«, fuhr er
fort und senkte die Stimme. Er legte seine Hände gespreizt auf
die herausgerutschten Papiere und schob sie zusammen. »Das mit
den aufgebrochenen Gräbern… war wahrscheinlich Leibold.
Aber das muß ich erst beweisen. Und kein Mensch darf erfahren,
auf welche Art ich mir diese Beweise verschafft habe. Ich glaube
jedoch, es ist wichtig, daß man bald erfährt, wie die
Dinge zustande gekommen sind. Wichtig für uns alle. Leibold
wollte die Toten rufen! Er hat etwas mit ihnen vor…«
Antonia Harter schluckte. »Ein Verrückter«, entfuhr
esihr, und sie wich einen Schritt zurück.
*
Dieser Meinung war Björn Hellmark nicht.
Die Begegnung mit diesem Mann, der Franz Tschierner hieß,
wie sich herausstellte, war für ihn ein Wink des Schicksals.
Es bereitete Hellmark keine Schwierigkeiten, Antonia davon zu
überzeugen, daß er mit diesem Tschierner in Ruhe über
die ganze Angelegenheit sprechen müsse. Er zog sich in das
kleine Zimmer zurück, das Leibold sich als eine Art Bibliothek
und Studierzimmer eingerichtet hatte.
Aus diesem Raum hatte Tschierner auch die Akte geholt.
Antonia kam noch mal zu ihnen herein. Sie brachte etwas zu trinken
und zog sich dann ins Schlafzimmer zurück. Sie hoffte, daß
diese unerwartete Sitzung nicht eine Ewigkeit dauerte.
Daß Björn Hellmark sich mit diesem Tschierner
zusammensetzte, verwunderte sie zwar, aber sie machte sich keine
Gedanken darüber und ging schlafen.
Inzwischen brach Björn weiter das Eis der ersten
Kontaktaufnahme und ließ bei Tschierner durchblicken, daß
er sich für okkulte Phänomene brennend interessiere. Er
erfuhr, daß Tschierner ein Angehöriger des Zirkels war,
mit dem Leibold arbeitete, um Kontakt zum Jenseits aufzunehmen. Aber
nicht nur der Spiritismus hatte es Hans Leibold angetan. Er
befaßte sich mit gefährlicheren Experimenten. Auf der
Suche nach ungewöhnlichen Büchern war er in einem speckigen
Folianten auf eine zusammengefaltete Seite gestoßen, die aus
einem anderen Buch stammte und die ein Unbekannter als Buchzeiger
benutzt hatte.
Aber durch dieses Blatt war Leibolds Aktivität noch
angestachelt worden.
Es handelte sich hier eindeutig um einen Auszug aus dem
geheimnisvollen und gefährlichen Buch der »Chronik der
Totenpriester«. Damit hatte er gearbeitet. Damit hatte er
höllische Mächte zu seinen Diensten gerufen.
Eine Stunde verging, eine zweite…
Tschiener verlor seine Hemmungen dem jungen Mann gegenüber,
und Björn erfuhr, daß Tschierner schon seit geraumer Zeit
kein gutes Gefühl mehr hatte. Es zeigte sich, daß Leibold
immer mehr allein arbeitete, daß er vom normalen Weg abging,
den sie sich gesteckt hatten. Falls man hier überhaupt von
normalen Vorgängen sprechen konnte. Als die Sache mit dem
Leichenraub passierte, schaltete Tschierner. Er besorgte sich einen
Abdruck vom Schloß der Wohnungstür Leibolds und ließ
sich danach einen Schlüssel anfertigen. Er wußte,
daß Leibold immer zum Wochenende unterwegs war, daß er
sich nie Freunde einlud. Wo er sich da herumtrieb, wußte
niemand. Aber Tschierner ahnte es, auf den Friedhöfen in der
Umgebung.
Tschierner wußte auch, daß zum Wochenende
regelmäßig Leibolds Nichte hierher in die Wohnung kam und
übernachtete. Das war gegen Morgen, zwischen ein und zwei Uhr
der Fall. Er, Tschierner, wartete die späten Abendstunden ab, um
ungesehen in das Haus und in die Wohnung zu kommen. Aber daß
Antonia ausgerechnet heute früher
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