Macabros 013: Mandragora - Herrin der Angst
sie
zugekommen war…
*
Anton Merlins Unruhe wuchs.
Gedankenversunken rauchte er eine Zigarette nach der anderen, und
er ging in seinem Arbeitszimmer auf und ab wie ein werdender Vater im
Korridor eines Entbindungsheimes.
Es hatte schon lange zu regnen aufgehört. Aber der Himmel war
grau. Seit dem Gewitter hatte es merklich abgekühlt. Ein
böiger Wind war aufgekommen.
Merlin hielt es schließlich nicht länger in seinem
Büro aus. Er informierte seine Sekretärin davon, daß
er noch einmal weg müsse. Wenn irgendeine wichtige Nachricht
für ihn einträfe, dann sollte sie eine entsprechende Notiz
auf seinem Schreibtisch zurücklassen. Er wolle sich noch einmal
das Wochenendhaus im Taunus ansehen.
Zehn Minuten später fuhr er los.
Der Verkehr in der Innenstadt war wie immer katastrophal.
Dicht gestaffelt reihten sich die Fahrzeuge hinter- und
nebeneinander. Im Schneckentempo ging es vorwärts.
Merlin drehte das Radio an. Auf UKW hörte er HR 3. Zwischen
den Musiksendungen wurden die neuesten Straßenverkehrsmeldungen
eingeblendet.
Auf der Eckenheimer Landstraße war auf regennasser
Straße ein Lastzug umgekippt. Ein langer Stau hatte sich
gebildet.
Merlin fügte sich in sein Schicksal. Heute ging einfach alles
schief. Nichts haute hin.
Doch einmal schlich auch der längere Stau an der Unfallstelle
vorbei.
Das war zwanzig Minuten später der Fall.
Merlin ärgerte sich über das Verhalten der Leute. Es
hätte alles viel schneller gehen können, aber die meisten
fuhren besonders langsam an der Unfallstelle vorbei, um ja noch etwas
mitzukriegen.
Polizeifahrzeuge, blinkende Lichter, die sich auf dem nassen
Asphalt spiegelten, Gruppen von Menschen am Straßenrand und auf
den Bürgersteigen.
Merlin passierte die schmale Fahrspur seitlich des Lasters.
Der Kommissar fuhr Richtung Bad Homburg.
Er konzentrierte sich auf sein Fahrzeug, auf die Straße, und
ließ seinen Blick nicht umherschweifen.
Hätte er jedoch einen Blick auf den gegenüberliegenden
Bürgersteig geworfen, wäre ihm jemand aufgefallen, den er
kannte und mit dem er sich praktisch seit den ersten Minuten seiner
Begegnung beschäftigte.
Dort drüben stand Björn Hellmark.
*
Obwohl der Unfall schon über eine halbe Stunde
zurücklag, war er noch benommen.
Es war alles so schnell gegangen.
Der plötzlich verrückt spielende Taxifahrer, dann der
riesige Schatten, der Lkw!
Der Unfall war eindeutig von dem Taxichauffeur verursacht
worden.
Insgesamt drei Fahrzeuge waren in Mitleidenschaft gezogen
worden.
Das Taxi, der Lkw und ein roter Kadett aus Friedberg.
Die Insassen des Kadetts mußten beide ins Krankenhaus
gebracht werden. Man mußte sie aus dem völlig
zertrümmerten Fahrzeug herausschneiden. An Ort und Stelle hatte
der schnell eintreffende Notarzt noch eine Bluttransfusion
vorgenommen.
Der Taxichauffeur stand unter einem Schock. Unmittelbar nach dem
Unfall hatte er immer nur eins sagen können: »Der
weiße Sportwagen… wo ist der weiße Sportwagen?…
Er ist doch wie ein Pfeil auf uns zugeschossen.«
Aber Björn hatte keinen solchen Wagen gesehen. Er konnte die
Aussagen des Fahrers nicht bestätigen. Zeugen, die den Unfall
beobachtet hatten, wußten ebenfalls nichts von dem
Gefährt, das der Fahrer gesehen haben wollte.
Aber wenn Björn sich die Reaktion des Taxichauffeurs
überdachte, dann war da eine Kettenreaktion zustande gekommen,
die er nicht verstand.
Der Fahrer hatte plötzlich geflucht und zu bremsen versucht.
Aus seiner Sicht war es unmöglich gewesen, das Fahrzeug noch zum
Stehen zu bringen. Er mußte es herumreißen, wollte er den
Frontalzusammenstoß vermeiden, der ihren sicheren Tod bedeutet
hätte.
Das Ausweichmanöver des Fahrers hatte den Lkw-Fahrer
irritiert, der gerade in diesem Moment von links in die Kurve kam. Er
sah das schleudernde Taxi, bremste zu hart – und der
Anhänger des Lasters kippte um und riß den nachfolgenden
Kadett mit sich.
Nur der Tatsache, daß der Fahrer des »Kadett«
geistesgegenwärtig seinen Wagen noch herumzog, war es zu
verdanken, daß er nicht von vorn zerschmettert worden war.
Das Heck des Fahrzeuges war platt wie eine Flunder.
Das im Auto sitzende Paar war schwer verletzt worden, doch
wäre das Fahrzeug voll unter den kippenden Anhänger
geraten, hätte es zwei Tote gegeben. So aber hatten beide die
Chance, gerettet zu werden.
In Zeugenaussagen deckten sich Björns Beobachtungen. Keine
Rede von einem weißen Phantomfahrzeug, das im Kopf des
Taxifahrers
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