Macabros 014: Knochensaat
Jahren, als er
sich entschloß, vernünftiger zu leben, überzeugt
davon gewesen zu sein, daß die unruhigsten Jahre seines Lebens
nun vorbei seien. In einer alten Blockhütte in Arizona, in der
Nähe einer Farm, hatte er sich angesiedelt und schriftstellerte.
Aus dem reichen Schatz seiner Erlebnisse glaubte er genügend
schöpfen zu können, das einen ganzen Band voll seltsamer
Abenteuer hergab. Mit dem Eintreffen des Telegramms vom General
jedoch war es mit der Ruhe vorerst aus und Delware hatte sich selbst
gewundert, wie schnell er noch Entscheidungen treffen und sich
mitreißen lassen konnte.
Der Amerikaner folgte dem Blick des Freundes und beobachtete die
fünf eingeborenen Träger, die auf dem Lagerplatz eintrafen.
Die Männer waren durchweg gut gebaut und sahen kräftig aus.
Ihre Gesichter waren scharf geschnitten, und man sah ihnen an,
daß in ihren Adern noch das Blut ihrer indianischen
Vorväter floß.
»Nein, glücklich sehen sie nicht aus«, mußte
Delware dem Mann an seiner Seite bestätigen. »Aber hast du
jemals schon einen arbeiten sehen und gleichzeitig einen
glücklichen Gesichtsausdruck dabei beobachtet? Ich nicht! Sie
werden zwar gut von dir bezahlt, du hast dich nicht lumpen lassen,
General, aber sie müssen eben arbeiten.«
Der hagere Mann, der Delware auch im Sitzen um einen ganzen Kopf
überragte, blickte aus dunklen, sezierenden Augen auf die
fünf braunhäutigen Gestalten, die ihre Last absetzten und
ziemlich still beisammen hockten.
Die Lasten bestanden zur Hauptsache aus faltbaren
Metallbehältern, in denen das Gold abtransportiert werden
sollte. Nur ein Drittel des Gepäcks bestand aus Konserven,
Wasservorräten, Zigaretten und Vitaminpräparaten. Die
notwendigsten Medikamente wie Antibiotika, schmerzstillende Mittel
und Präparate zur Wundbehandlung befanden sich ebenfalls im
Gepäck.
Der General winkte den Führer der Gruppe aus Peto heran.
»Señor?« fragte Amag mit ruhiger Stimme.
»Lassen Sie Zigaretten austeilen, Amag. Die Männer haben
sich tapfer gehalten. Aber sagen Sie, bedrückt sie
etwas?«
»Nein, Señor, nicht daß ich
wüßte.«
Der Hagere ließ sein Gegenüber nicht aus den Augen.
»Habt ihr – Angst?« fragte er direkt. Seine
hervorragenden spanischen Sprachkenntnisse kamen ihm zugute.
»Nein, Señor.«
Es dunkelte. Der General und Delware sahen nicht jede Regung in
den braunen Gesichtern.
»Gut, Amag! Nimm Zigaretten und bereite dann das Essen
vor!«
»Si, Señor.«
»Mir gefallen die Burschen nicht«, knurrte der General
und ließ den Blick in die Runde gehen. »Ich spüre so
etwas. Je näher wir dem Dschungeltempel kommen, desto unruhiger
werden sie. Bei diesen Burschen weiß man nie, was sie denken
und wissen, Fred.«
Delware kniff die Augen zusammen. Ihnen gegenüber hockten die
fünf Männer aus Peto und zündeten sich Zigaretten an.
Kleine Punkte begannen in der Dunkelheit zu glühen.
»Meinst du, sie lassen uns im Stich, General?«
»Das wäre nicht gerade tragisch, aber unangenehm, Fred.
Man sollte mit soviel Trägern wie möglich hierherkommen,
das habe ich aus einem Fehler erkannt. Einer allein kann nicht viel
ausrichten. Kistenweise muß man es wegschaffen.«
»Du bist dir deiner Sache so sicher. Hast du den Schatz denn
schon gesehen, General?«
»Es gibt ihn. Ich weiß es. Das muß dir
genügen, Fred«, erhielt er zur Antwort, und um die
schmalen, energischen Lippen des Mannes aus Andover zuckte es.
*
Weder der General noch Delware verzichteten auf ihre Gewehre, als
sie in die Schlafsäcke schlüpften.
Wilde Tiere und Schlangen in diesem sumpfigen Dschungel konnten
jederzeit auftauchen, und dann kam es darauf an, wer schneller
reagierte. Es ging ums Überleben.
Außerdem wollten die beiden Männer auch vor anderen
Überraschungen gefeit sein. Niemand wußte, was noch alles
auf sie zukam.
In der Nacht schlug Fred Delware plötzlich die Augen auf. Von
einer Sekunde zur anderen war er hellwach und wußte: hier
stimmt etwas nicht.
Er richtete sich auf, und wie von selbst zog er das Gewehr mit in
die Höhe.
Sein Blick ging von der Bodenwelle, auf der er lag, über den
etwas tiefer liegenden Lagerplatz. Dort hätten sich die
Schlafsäcke mit den Eingeborenen befinden müssen.
Hätten…
Aber sie waren nicht da.
»General!« stieß Delware hervor und griff mit der
Rechten neben sich. Er griff prompt ins Leere.
Der General fehlte!
Delware sprang auf die Beine.
Wie eine Flut strömten die Gedanken und Eindrücke in
sein
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